Erfahrungen eines deutschen Facharbeiters in Istanbul

Mein Vater der schafft das! Nein, das dachte ich nicht. Zumindest am Anfang . Ich fand es ziemlich blauäugig vom ihm, nach Istanbul umzusiedeln, obwohl er kein Türkisch spricht. So etwas würde ich nur in Betracht ziehen, wenn ich zumindest die Sprache einigermaßen beherrschte.

Risikobereitschaft und Selbstvertrauen gehören wohl dazu, wenn man sich entschließt, in ein anderes Land mit einer anderen Kultur zu gehen, und dabei auch vorerst die Familie zurücklässt. Aber die Möglichkeit, in fortgeschrittenem Alter noch mal die Chance zu bekommen, etwas anderes in seiner Branche kennenzulernen, überwiegt gegen alle Einwände. In der Türkei werden Fachkräfte gesucht, so ist mein Vater mit seiner langjährigen Erfahrung in der Textilreinigungsbranche dort ein gefragter Mann, denn die Branche boomt dort und die Firma, für die er arbeitet, bietet Maschinen und Zubehör für Reinigungen und Wäschereien nach deutschem Standard und mit deutschem Service an.Das ist in Istanbul ein gutes Verkaufsargument. Umstellen musste mein Vater sich allerdings in Bezug auf seine Arbeitszeiten. Die meisten Geschäfte in der Türkei haben sieben Tage die Woche von 10 Uhr bis 22 Uhr geöffnet und so lange muss auch der Servicebereich abgedeckt sein. Ein halbes Jahr wurde in der Familie das Für und Wider abgewogen, bis wir uns entschieden, den Schritt zu wagen, denn ohne den Rückhalt der Familie ist so ein Schritt nicht möglich.

Istanbul – Stadt, auf zwei Kontinenten, ist doch sehr europäisch und so fiel ihm das Eingewöhnen doch sehr leicht, auch mit Englisch und Deutsch kommt man doch relativ weit. Auch die freundliche Art der Leute fand er sehr überraschend.

Wir besuchten meinen Vater dann in den Ferien und empfanden Istanbul und die Türkei als wunderschön. Über die geringen Türkischkenntnisse meines Vaters mussten wir schmunzeln. Bei Behördengängen muss er deshalb immer noch auf einen Kollegen als Dolmetscher zurückgreifen.

Auch ist es langwierig, in der Türkei eine Arbeitserlaubnis zu bekommen.

Eine Arbeitserlaubnis muss der Arbeitgeber beantragen und plausibel machen, dass der Antragsteller über Fähigkeiten verfügt, die die Arbeitskräfte in der Türkei nicht haben. Dann besteht die Möglichkeit, eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen. Da so etwas sich hinzieht, arbeitet mein Vater vorläufig mit einem Touristenvisum und muss deshalb alle drei Monate das Land verlassen. Beruflich war man sofort angetan von ihm, vor allem von seiner Erfahrung, Arbeitsmoral und Gründlichkeit.

Nach knapp einem Jahr in der Türkei ist er nach wie vor von seinem Schritt überzeugt, trotz vieler Widrigkeiten, die das Ganze mit sich bringt. Denn wenn zwischen Familie und Vater 2600 Kilometer Entfernung liegen und man sich nur alle zwei Monate sieht, ist das für das Familienleben nicht unbedingt förderlich. Aber dessen waren wir uns alle bewusst.

http://www.abendblatt.de/ratgeber/extra-journal/article2198101/Auswanderungsland-Tuerkei.html

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