Schwul. Türke. Militär. – Geht nicht !

Schwule und Lesben dürfen in der Türkei nicht mit Toleranz rechnen. «Ich glaube, Homosexualität ist eine biologische Fehlfunktion und dass diese Krankheit behandelt werden muss», sagte 2010 die frühere Frauen- und Familienministerin Selma Aliye Kavaf der Zeitung «Hürriyet», was – in dem Zusammenhang nicht ganz passend – «Freiheit» bedeutet. Da kann es kaum überraschen, dass die Minderheit auch in der Armee auf breiter Front auf Widerstand stösst.
«Das türkische Militär hat Gesundheitsverordnungen, die Homosexualität als ‹psychosexuelle› Krankheit definieren und Homosexuelle für den Dienst als untauglich einstufen», bemängelte ein EU-Bericht ein Jahr zuvor. «Rekruten, die sich outen, müssen fotografische Beweise anbringen. Eine kleine Zahl muss erniedrigende medizinische Untersuchungen über sich ergehen lassen.» Obwohl die Kritik aus Brüssel eindeutig ist und Ankara an die Europäische Menschenrechtskonvention gebunden ist, hat sich in den vergangenen drei Jahren offenbar nichts geändert.
«Das Foto muss dich als passiven Partner zeigen»
Die Generalität hat augenscheinlich ein krudes Bild von der Gay Community und Demütigungen sind dort auch heute noch an der Tagesordnung. Um eine «pinke Bescheinigung» zu bekommen, die sie vom Dienst befreit, müssen sich Schwule nach wie vor bizarre Fragen anhören und eindeutige Fotos vorlegen. «Sie fragten mich, wann ich das erste Mal Anal- und Oralverkehr hatte und mit welchem Spielzeug ich als Kind gespielt habe», berichtet der betroffene Ahmet der BBC. Ausserdem interessierte die Armee, ob er Fussball mag, Frauenkleider anzieht oder Frauenparfüm benutzt.
Dass der Verweigerer einen Drei-Tage-Bart trägt, machte die Militärs stutzig. Er sehe nicht wie ein Schwuler aus, so ihr Urteil. Sie forderten Ahmet auf, ein Foto von sich in Frauenkleidern beizubringen. «Ich lehnte das ab, aber ich konnte ihnen ein Angebot machen, das sie akzeptierten.» Er gab ihnen ein Foto, auf dem er einen Mann küsst. Gökhan ging gar noch weiter: Als der Homosexuelle sich bei seinem Vorgesetzten outete, gab er ihm ein Bild, das ihn beim Sex zeigt. «Das Gesicht muss sichtbar sein. Und das Foto muss dich als passiven Partner zeigen.» Sprich: Der Männerliebhaber muss sich fotografieren lassen, wenn er von einem Gleichgesinnten genommen wird.
Indiskretion Ehrensache
Gökhan hat Glück gehabt: Ihm wurde eine «psychosexuelle Störung (Homosexualität)» bescheinigt. Wie viel die Schwulen dafür preisgeben müssen, hängt von der Laune des Militärarztes ab. Mal müssen Fotos vorgelegt werden, mal reicht ein «Persönlichkeitstest» aus. Ex-General Armagan Kuloglu sieht darin kein Problem. «Wenn sich jemand outet, muss die Armee sicherstellen, dass er wirklich schwul ist und nicht lügt, um nicht seine Pflicht im Militär erfüllen zu müssen.»
Dass das Militär am Ende nur die Spitze eines gesellschaftlichen Eisbergs ist, zeigt Gökhans weiteres Schicksal. Ein Kollege wunderte sich, warum Gökhan nicht bei der Armee war und fragte dort nach. Die gab bereitwillig Auskunft über die «Störung» – und seither kämpft der Homosexuelle am Arbeitsplatz gegen Intoleranz an. In einem Krieg, den er so schnell nicht gewinnen wird.

http://www.20min.ch/ausland/news/story/Schwul–Tuerke–Militaer–Na–16491594#

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