40 Grad im Schatten mit Anzug und Krawatte oder wann wird der Flughafen gebaut ?

Mein Auftraggeber wollte mit der damaligen Monopolgesellschaft der Türkei, im Bereich hochprozentige Alkokolika, der TEKEL eine Geschaeftsbeziehung eingehen.

Die erste Vorgabe seitens des deutschen Vorstandes war, wir sollten unbedingt ein Auto der gehobenen Klasse anmieten. Damals (Anfang 90er Jahre) war das nicht so einfach. Es gab die Fahrzeuge, jedoch hatten die Menschen, egal woher sie kamen, kein Vertrauensbonus beim Vermieter. Alle Benz PKW musste man mit dem Fahrer anmieten. Das waere so weit nicht schlimm, wenn wir nicht 5 Personen gewesen waeren. Also war, durch den Fahrer bedingt, einer zuviel. Daraufhin mietete ich 2 PKW mit Fahrer.

Diese waren für unseren Istanbul Aufenthalt vorgesehen. Für den dritten Tag, an dem wir von Ankara nach Nevşehir (Mittelanatolien) fahren mussten, hatte ich einen Ford Transit angemietet.Da es um hohe Investitionen ging bestand ich, dass ein vereidigter Übersetzer dabei sein sollte. Der könnte dann die Protokolle an Ort und Stelle beglaubigen (nur zum internen gebrauch, da die Siegel von vereidigten Übersetzern aus Deutschland in der Türkei keine Rechstkraft haben). Mein Auftraggeber hatte einen Übersetzer angeheuert, der uns für 4 Tage satte 9.000 Euro kosten sollte. Das haette auch viel günstiger funktionieren können, jedoch war die Sekretaerin den einfachsten Weg gegangen und bediente sich aus dem Telefonbuch.

Nach dem 1. Tag unseres Aufenthaltes in Istanbul mussten wir unseren Dolmetscher aus dem Rennen werfen. Wie ich feststellen musste übersetzte er kaum was richtig. Was wir spaeter erfuhren, war die Tatsache, dass er nur bei deutschen Gerichten übersetzt hatte und über 20 Jahre nicht mehr in der Türkei war. Klar, dass man in solch einem Fall, aus dem Takt kommt, wenn die gewohnten Saetze aus dem Amtsdeutschen nicht vorkommen. Auch wenn der Dolmetscher bei geschaeftlich wichtigen Dingen nicht mehr eingesetzt wurde (diesen Part übernahm ich) so hatten wir ihn für die normale Konversation dennoch behalten bzw. mit auf die weitere Reise genommen.

Am 3. Tag sind wir nach Ankara geflogen, um von dort aus, nach Nevsehir zu fahren. Dort wollten wir eine eine halbfertige Anlage bzw. Bau für Raki – Produktion besichtigen. Unser Ford-Transit hatte keine Klimaanlage und ich die Vorgabe vom Vorstand “Herr Dener, jeder der für uns arbeitet, muss bei jedem Wetter und zu jeder Angelenheit dunklen Anzug und Kravatte tragen.”

Wie sind in einem Konvoy von 4 Fahrzeugen Richtung Nevsehir aufgebrochen. 40 Grad im Schatten und ohne Klimaanlage. Im Transit waren, ausser dem Fahrer, noch 6 Personen. Nach einer Stunde Fahrt, war ich der einzige, der sein Sakko noch nicht ausgezogen hatte. Es ging nicht mehr. Meine Standhaftigkeit hat den anderen bestimmt imponiert  🙂 wie cool ich bei dieser Hitze war.

Nach 2-3 Stunden oder laenger, erreichten wir Kapadokien. Ein Anziehungspunkt für Touristen. Die Farbe weiss überwiegt, weil hier alles aus Kalkstein bzw. Kalk besteht. Gerade hatte ich angesetzt zu sagen : “Ich verstehe nicht, warum die Leute hierhin kommen ist doch alles weiss und nicht besonders interessant” sagte der Vorstandsvorsitzende : “Herr Dener, die Gegend gefaellt mir sehr, Sie möchten bitte für mich eine Reise hierhin organisieren”.  Jetzt hatte ich verstanden. Die Gegend übte eine besondere Anziehungskraft auf Auslaender aus. Ich schwieg.

Nur habe ich noch eines festgestellt in Kappadokien bzw. entdeckte ich eine Marktlücke. Es gab hier keinen Schatten. Es war nicht nur alles weiss sondern auch gab es keinen Schatten. Zum Glück hatten wir unsere Anzüge an und konnten bei den Pausen keinen Sonnenbrand bekommen.

Als wir das Schild sahen “Nevşehire Hoş Geldiniz” (Willkommen in Nevşehir), dachte ich “endlich da”. Nur vergass ich selber, wie gross die Staedte der Türkei waren. Danach fuhren wir noch fast 2 Stunden. Das denke ich jedenfalls. Mein Zeitgefühl hatte ich ca. 2 Stunden nach Ankara verloren.

Schnell fanden wir den Halbfertigbau und fuhren am Waechter vorbei auf das Grundstück.  Der Vorstand fragte mich “Wieviel Löwen gibt es noch in der Türkei ?”. “Was für Löwen ? In der Türkei gibt es keine Löwen, wie kommen Sie darauf ?”. “Aber Herr Dener, am Eingang war doch ein angebunderen Löwe”. Klarer Anzeichen von Sonnenstich ? Nein !

Auf meine Veranlassung fuhr der Fahrer rückwaerts. Siehe da : Ein Löwe 🙂 Der arme Kerl sah, wahrscheinlich durch die schlechte und falsche Ernaehrung aus wie ein Hund, war aber als Löwe noch zu erkennen.

Die Erklaerung dazu gab es durch den Waerter. Der Bauunternehmer “İnci Baba” war zu seinen Lebzeiten ein Mafiosi. Bei einem seiner Auslandsaufenthalte wurde ihm dieser Löwe geschenkt. Da er nicht wusste, wohin damit, hatte er es hier angebunden.

Man zeigte uns das Gebaeude, oder das, was davon da war. Auf die Frage von den Deutschen : “Warum hat man hier das Gebaeude in die Höhe gebaut, das ist sehr aussergewöhnlich ?” Bekamen wir die Antwort : “Sie wissen doch, je mehr man baut, umso mehr Geld bekommt man. Ob es dann letztendlich vom Nutzen ist, interessiert  niemanden”.

“Wo kommen die Trauben und der Zucker her ?”. “Ach, das ist nicht weit von hier. Sie fahren nur 4 Stunden !”. Schluck, nicht weit und dann 4 Stunden ? Das ist aber in der Türkei so. Das Zeitempfinden verlieren die Türken, zeitgleich mit der Bauchnabelschnur. So kann man auch z.B. den Istanbuler verkehr leichter ertragen. 40km in 2-4 Stunden, kann vorkommen.

Auf die Frage , warum so weit weg von Gut und Böse gebaut  wurde bekamen wir auch eine klassische Antwort : Das Grundstück gehörte dem Bruder des damaligen Chefs des Unternehmens.

Irgendwann hat noch der der Vorstandssprecher aus Deutschland gesagt : “Herr Dener, wenn wir hier investieren sollten, bauen wir aber hier nebenan eine Piste, damit wir mit leichten Flugzeugen von Ankara aus hierhin fliegen können.”

Wir erfuhren dann, dass wir zu einem grossen Empfang eingeladen waren. Die gesamt Prominenz der Stadt war da. Die Deutschen waren begeistert. Dann fragte mich irgendeiner aus der Runde : “Wann fangen Sie mit dem Bau des Flughafens an ?”. Schock!

Mir war klar, dass unser Dolmetscher dahinter steckte. Er hatte die “Piste” als “Flughafen” übersetzt.

Ich sagte: “da Frage ich lieber mal den Vorstand”. Ich sagte dem Vorstand in Deutsch, dass alle hier glauben würden, dass er ein Flughafen hier baut. Er : “Herr Dener, wer erzaehlt den so ein Schwachsinn, das habe ich niemals gesagt”. Ich habe ihn beruhigt und ihn gebeten durch Gummisaetze die Situation zu retten.

Wir machten uns auf dem Rückweg. Wir waren gerade eine Stunde unterwegs als ein Fahrzeug aus unserem Konvoy urplötzlich zum Überholen einsetzte. Als ihm dann ein Fahrzeug entgegenkam, gab es nur noch das Maisfeld an der Seite. Nach einmaligem überschlagen kam er zum Stillstand. Dem Fahrer war zum Glück nichts passiert. Er war aber ziemlich fertig, weil das Fahrzeug in seiner Obhut war und er für die Reperatur Staatskarosse selber aufkommen musste.

Ich machte mich auf dem Weg um die Gendarmerie zu benachrichtigen. Die Landstrassen obliegen deren Verantwortlichkeit. Ich fur 30km weit um festzustellen, dass die Zustaendigen, in die andere Richtung zu finden waren. Als die Gendarmerie da war, fragte ich nach dem Vorstandsvorsitzenden. Man zeigte Richtung Mailsfeld. Mitten im Maisfeld unterhielt sich der Vorstand mit einem türkischen Bauern. Ein ziemlich unwirkliche Szene.  Das Wundersame war, das die nicht mit Haenden und Füssen gestikulierten. Als ich bei denen Stand war die Überraschung perfekt. Meine Vermutung, der Bauer kann doch unmöglich Deutsch können, hat sich bewahrheitet. Man unterhielt sich in Bayrisch. Aber im perfektem Bayrisch. Woher ich das wiederum weiss ? Ich habe nichts verstanden. Waere etwas Deutsches dabeigewesen, waere es nicht Bayrisch.

Der Bauer hatte 30 Jahre bei München gelebt und gearbeitet.

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