Konkurrenzlos auf einem nicht existentem Markt

vizyonDer Zeit voraus zu sein ist nicht immer gut. Nachweislich habe ich so viele Dinge als erster auf den türkischen Markt gebracht, wie es sich dann später herausstellte, dass es nicht gesund war.

Die ersten Geldprüfgeräte (damals mit Ultraviolettlampe), die ersten Folien für die Möbelindustrie, die ersten Megaprinter (5m Breite), die ersten Plotter (um die Schildermaler arbeitslos zu machen), die ersten Laminiergeräte (an jeder Ecke steht einer und laminiert Ausweise), die ersten Infrarotheizstrahler (heute unter dem Namen Ufo die Marktführer), die Nanotechnologie als Vertretung saarlaendischer Forschungsinstitute, das erste Portfolio-Management Software (damals mit Basel II, was für die Banken Neuland war) u.v.a.m.

Woher ich weiss, dass ich der Erste war ? Weil man die Produkte noch nie importiert hatte und für diese keine Einfuhrbestimmungen existierten. Alles musste neu beantragt werden.

Habe ich mit all diesen Produkten Geld verdient ? Eher nicht, denn wer mit einem absoluten neuem Produkt auf dem Markt ist, glaubt im Vorteil zu sein, zumal er konkurrenzlos ist. Dem war und ist  aber nicht so !

Wer mangels anderer Anbieter konkurrenzlos ist, agiert auf einem Markt, welches erst noch geschaffen werden muss. Harte Arbeit ! Kostet Zeit und Geld.

Das hat zur Folge, dass man die Pionierarbeit leistet und allen anderen Anbietern gleichzeitig den Markt ebnet. Während man das tut, vergeht eine gewisse Zeit. Schon ist die zweite Generation des Produktes auf dem Markt. In der Regel zu einem Preis, welches den Bruchteil der ersten Generation der Geräte ausmacht. Kleiner Preis, weniger Marge mehr Konkurrenten. Hilfe, wo ist mein Vorteil geblieben ?

Zu all diesen neuen Produkt- und Unternehmenseinführungen auf dem türkischen Markt gibt es hunderte von Anektoden und Geschichten.

Als ich den Weltmarktführer des Portfolio-Management-Softwares in der Türkei einführen wollte, hatte ich die weniger erfolgreichen 10 Lehrjahre hinter mich gelassen. Obwohl ich die Markteinführung schon haette in 2000 machen können, habe ich bis 2006 gewartet. Warum ? Weil kein Mensch in der Türkei das Wort Portfolio-Management (Portföy Yönetimi) kannte. Also wartete ich dieses mal, bis andere die Vorarbeit leisteten und ein Markt dafür da war.

Der Staat bzw. die Regierung kam mir zur Hilfe. Da die Türken kaum sparten und auch heute nicht sparen, wollte der Staat dafür ein Instrument schaffen und brachte die Privatrente (Bireysel Emeklilik Sigortası) und bestimmte, dass die von den privaten Rentenversicherungen anzulegenden Gelder durch Portfolio-Management-Unternehmen in die Anlage geführt werden dürften. Somit war der Begriff ‘Portfolio-Management’ im türkischen Sprachgebrauch.

Wie gesagt, 2006 legte ich los. Ich hatte ‘Null Ahnung’ vom Portfolio-Management und vom Software jeglicher Art im Allgemeinen. Die Spezialisierung folgte erst mit der Zeit.

Dennoch wusste ich, dass ich mit Fachfragen nicht in die Enge getrieben werden konnte. Das Unternehmen, welches ich vertritt gab auf dem Sektor den Takt vor.Damals arbeiteten in der Türkei alle Portfoliomanager mit Excel-Tabellen. “Kann das System dieses ?”, “Kann das System jenes ?” … Die Antwort war immer : “Klar und sogar noch viel mehr !” Hätte man wirklich eine knifflige Frage gestellt, wo ich keine Antwort gewusst hätte : “Diese Fragen werden wir alle bei unseren Vorführungen beantworten !” Den Satz musste ich aber nie anwenden.

Ich wollte nicht selber verkaufen. Es ging nur darum, das System so gut anzupreisen, dass die türkischen Bankensoftwarehäuser davon Wind bekamen und sich als möglichen Partner für die Türkei anpreisten. Mein Auftrag war nämlich einen potenten lokalen Partner zu finden. Es dauerte ganze 2 Tage und ich war am Ziel.

Beim dritten Termin fand ich ein Unternehmen vor, deren Gesellschafter in Berlin  bzw. in Karlsruhe studiert hatten. Da ich am liebsten solche Unternehmen als türkischen lokalen Partner für die Unternehmen der DACH Region aussuche, die Deutsch angehaucht sind bzw. etwas von der deutschen Kultur mitbekommen haben, wusste ich : “Das sind die Richtigen!”

Beim zweiten Treffen unterschrieben die Türken und die Schweizer schon die Kooperationsvereinbarung und binnen 3 Monate war man am Start. Nach 2 Jahren war das System auch Marktführer in der Türkei. Mittlerweile programmieren die beiden Unternehmen für den Weltmarkt und entwickeln gemeinsame Produkte.

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