Teamwork ist nichts für Türken
Oftmals werde ich von Personalberatern wegen der Besetzung von Vorstands- und Geschäftsführungspositionen angesprochen. Sofort sage ich: „Gerne schicke ich Ihnen meinen Lebenslauf zu, nur möchte ich anmerken, dass ich Zeit meines Lebens selbständig war?“ Schon findet die Sache ein jähes Ende.
Ich selbst habe Personen an ausländische Unternehmen in der Türkei vermittelt. Über die Jahre haben die von mir betreuten Unternehmen über 700 Mitarbeiter eingestellt. Ein Drittel davon habe ich persönlich vermittelt. Zum Unterschied zu den meisten Personalberatern suche ich bei den Türken eines nicht: Teamfähigkeit!
Das funktioniert bei den meisten nicht. Dabei wähle ich das Wort „meistens“ zur Vorsicht, denn am liebsten würde ich alle in einen Topf schmeißen. Es funktioniert wirklich nicht.
Seit fast 30 Jahren nun beobachte ich die Entwicklung in der Türkei und in den türkischen Unternehmen. Die MitarbeiterInnen eines Unternehmens haben einen Ehrenkodex, welches ihnen angeboren ist. „Lässt Du mich in Ruhe, lasse ich dich auch in Ruhe.“
Alle Mitarbeiter eines Unternehmens sind höflich zueinander. Die Höflichkeit übt eine Schutzschildfunktion aus. Dadurch herrscht Ruhe in der Abteilung oder im Unternehmen, welches aber zu dem Trugschluss führt, dass alles in Ordnung sei. In solchen Situationen packt jeder jeden mit Samthandschuhen an. Läuft mal was schief, wird niemand zur Rechenschaft gezogen, so muss sich niemand für irgendetwas verantworten.
Bei Sitzungen sagt der Mitarbeiter seine Meinung nicht, reißt sich aber nicht gerade ein Bein aus, um die letztendlich getroffenen Entscheidungen umzusetzen. Es ist viel einfacher, hinter dem Rücken des Entscheiders etwas zu sagen, ihn zu kritisieren bzw. über seine Fehler herzuziehen. Das bestärkt denjenigen außerdem in dem Gefühl, dass er im Recht sei und stärkt sein Bewusstsein.
Dem Teamwork steht ein ganz bestimmter Faktor entgegen: Misstrauen ! Wie soll Teamwork ohne gegenseitiges Vertrauen funktionieren ?
„Vertraue nicht einmal Deinem Vater“ (Babana bile güvenme), „Glaube dem fließendem Wasser und traue dem Fremden nicht.“ ( Akan suya inanma, elogluna güvenme) sind nur zwei von mehreren Sprüchen, die die Kindheit eines Türken begleiten, weil er diese von den Älteren immer zu hören bekommt.
So kommt es nicht von ungefähr, dass der Vertrauensindex bei den Norwegern 65, bei den Türken hingegen nur 6 beträgt.
Den ausländischen Unternehmen rate ich immer, sich an starken Individualisten zu orientieren, die effektiv sind, weil sie sich kein Team ans Bein gebunden haben.
Ich als projekterfahrener Türkei-Berater erhalte oft Anfragen von Kollegen türkischen Ursprungs. Von Anfang an weiß ich, dass ich nur solange im Gespräch bleiben werde, wie ich die nötigen und hilfreichen Informationen liefern kann. Wenn dies nicht mehr der Fall ist, dann herrscht von heut auf morgen Funkstille.
Übrigens hatte ich noch gestern geschrieben, dass die Fördergelder der Türkei für F&E niemals ausgegeben werden können weil nicht ausreichend Projekte existieren. Hätten Sie sich vorstellen können, dass auch hier der Grund fehlendes Vertrauen ist ? Eher nicht, oder ?
Der Einzelne muss alleine all das erforschen, wo in einem anderen Land ein Team von hundert Leuten an dieser Aufgabe arbeiten würde. Was ist, wenn er meine Idee stielt ? Schon ist der Ideenlieferant isoliert. Niemandem kann er seine Idee anvertrauen und kommt nicht weiter.
Ich habe über die Zeit sogar Menschen kennengelernt, die etwas soweit erforscht hatten, dass einem Patentantrag nichts mehr im Wege stand. Diese trauten sich aber weder zum Patentanwalt noch zum Patentamt.
Jetzt wissen Sie z.B. auch, warum die Deutsch-Türken in Deutschland bzw. die Türken in der Türkei nicht an einem Strang ziehen können und dieses sogar ausgeschlossen ist. Fehlendes Vertrauen zueinander. Wollte ich nur mal festgestellt haben. 😉 ARDener
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