Istanbul 1967 oder “Beeil Dich, es sind nur noch 9 Stunden bis zum Abflug !”

sandvic

Früher neben Simit die Volksmahlzeit

Als ich diesem Istanbul Video aus dem Jahre 1967 im Facebook begegnete, fiel mir eines sofort auf. Die Menschen von damals waren viel moderner und schauten nicht so finster rein, wie heute. Man beachte allein die Kleidung. Die Männer zumeist mit Anzug unterwegs. Sogar der Fischer trägt ein Sakko 🙂 Die Türkei von damals existierte für sich und hatte mit dem Ausland nicht viel zu tun. Kaum Exporte ( ca. 50 Mio. USD) und sehr wenig Importe (nur das Nötigste, wie z.B. Kaffee). Das, was an Devisen reinkam, war den sogenannten ‘Gastarbeitern’ (Gurbetciler) zu verdanken, die noch keine 10 Jahre weg waren aus der Türkei.

Flogen mal einige Militärjets über uns, fragten sich die Leute : “Ob die Militärs wieder geputscht haben ?” Solch eine Frage hat man wahrscheinlich nirgendwo sonst auf der Welt gestellt, wenn Jets über einem herflogen. Heute wie damals war aber die ‘Master-Frage’ : “Wie soll es mit der Türkei nur weitergehen ?” (Ne olacak bu Türkiye’nin hali ?) Die Frage war eigentlich keines, sondern eher Lückenfüller, wenn man stockte und keine Geschichte mehr parat hatte oder sich wieder einmal über die Lebenssituation in der Türkei beklagte.

1967, die Bosporus-Brücke wird erst noch 1973 gebaut werden und ist nicht einmal geplant. Der Verkehr zwischen den Kontinenten wird durch die heute noch fahrenden Schiffe für die Menschen und Fähren für die Fahrzeuge geregelt.

Es war eine heikle Sache mit der Fähre auf die andere Seite zu kommen. Es kam vor, dass man 2-4 Stunden in der Autoschlange wartete, bis man auf die Fähre kam (danach dauerte die Überfahrt 20 Minuten). Sogar als Kind war es für mich ein Glücksgefühl, endlich auf der Fähre zu sein. Sofort gab es Käsetoast (Kasarli sandvic) und Ayran. Damals waren die Käsetoasts wirklich mit dickem fetten Käse dazwischen gemacht. Die Lebensmitteltechnologie war nicht so weit, dass man hätte Käseähnliches produzieren können, wie es heute der Fall ist ;). Überhaupt war alles echt. Damals gab es auch Sandwiches, mit Schafskäse, Tomaten und Peperoni. Das damalige Frühstück, Mittag- und Abendessen des armen Mannes ist vom Simit (Sesamringe) und der Bequemlichkeit der Verkäufer, diese Sandwiches zubereiteten, gänzlich von der Bildfläche verschwunden.

Es gab viele Stadtteile, wo derzeit die Frauen mit schwarzen Gewändern und Kopftüchern das Stadtbild prägen, nicht.  Die Stadt, die Türkei, waren noch ganz jungfräulich und das Volk nicht so gespalten, wie es heute der Fall ist.

Übrigens, da man die Überfahrt mit der Fähre zeitlich nicht einschätzen konnte, sagten die Reisebüros in Deutschland den Deutschtürken, sicherheitshalber, dass sie mindestens 4 Stunden vor dem Abflug am Flughafen Istanbul sein müssten. 4 Stunden vor dem Abflug + 2bis4 Stunden Wartezeit für die Fähre + 2Stunden Puffer = 10 Stunden vor dem Abflug brach man Richtung Flughafen auf. “Beeil Dich, es sind nur noch 9 Stunden bis zum Abflug !” bedeutete, 5 vor 12. 🙂 Es passiert schon mal, dass alles glatt ging und man 9 Stunden vor dem Abflug am Flughafen war. Dann ging man aber in der nähe ausgedehnt Essen. Oder sagen wir besser “Die Fressorgie” ging los.

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