What time is ist ? It’s Turc’o’clock ! – Diese Geschichte wird Euch gefallen :)

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2014-08-04 17.11.59Ich möchte Euch ein Beispiel bringen, dass ein Business, wo alle Vorzeichen stimmen, scheitern kann, wenn man die Mentalität, die Arten, Unarten und Gewohnheiten einer Volkes- oder sagen wir besser Zielgruppe, außer Acht lässt.

Von wegen “Vatan, millet” (Vaterland, Nation). Die Türken reden viel über das Vaterland, die Heimat und haben Nationalstolz. Ich habe die Erfahrung machen müssen (leider mein damaliger Geschäftspartner Günter auch), dass Nationalstolz so lange Bestand hat, solange es nichts kostet.

Man muss zugeben, die Türkei hat eines der schönsten Flaggen der Welt. Jetzt höre ich die Türken sagen : Die Schönste ! 🙂 Akzeptiert, denn darauf haben wir gesetzt. Ich hatte die Idee mit der abgebildeten Uhr. Zwei aufeinander liegende durchsichtige Kunststoffscheiben, auf dem einen ist ein Halbmond (für die Stunden) und auf der anderen ein Stern (für die Minuten) abgebildet. Einmal in der Stunde entsteht die türkische Flagge. Jetzt kommt es : Wie möchtest du eine Umfrage starten, bei einem Volk, welches fast alles kopiert ? Also haben wir die Bekannten und Verwandten befragt. Begeisterung pur ! Der Renner überhaupt würde es werden.

Da ich vor lauter Ideen ersticke, war die Marke schnell gefunden : Turc’o’clock ! Jetzt musste nur noch ein Uhrenhersteller gefunden werden. Die ersten ähnlichen Uhren, mit zwei Scheiben und witzigen Mustern drauf (Made in China) haben wir 2 Stunden in die Sonne gestellt und mussten feststellen, dass die Scheiben aneinander klebten. So konnte das für mich als überzeugter “Made in Germany” Fan nicht funktionieren. Also ging ich zu einer deutschen Top-Uhrenmarke. Da war ich original auf Deutschland gestoßen. Satte 4-6 Monate bräuchten sie, um einen Prototypen zu produzieren. Schluck ! Dabei sagten die Chinesen was von 2 Stunden.

Würde meine Euphorie so lange standhalten ?

Nach ca. 3,5 Monaten hatten wir die Uhr. Es waren D-Mark Zeiten, aber ich nenne Euro Beträge, damit es verständlicher wird. Also die Uhr hätte in China 2,50 Euro gekostet und bei Sonnenschein 2 Stunden funktioniert. Die deutsche Turc’o’clock kostete in der Herstellung 17 Euro und es gab sogar 1 Jahr Garantie darauf. Wahrscheinlich hat der Hersteller die kurze Sonnenscheindauer in Deutschland mit berücksichtigt dass er solange Garantie gewähren konnte.

Wenn der Hersteller eines wusste, dann war das der Nationalstolz der Türken. Man war sich sicher, das ist der Renner. Die Teile für 10.000 Stück wurden auf Lager gelegt und ca. 300 Stück zusammengebaut. Und schon ging die Suche nach dem Nationalstolz los. Nicht einer, der es nicht toll fand. “Wie teuer ?” kam direkt nach dem Satz, der die Begeisterung ausdrückte. Der Gesichtsausdruck, bei dem “Wie teuer?” raubte mir schon jegliche Überzeugung und Motivation. Ich sagte “50 Euro”. 17 Euro Einstandskosten und 33 Euro für den Nationalstolz. Nein, natürlich habe ich das so nicht gesagt, aber gedacht. “Die Uhr kann ich für 5 Euro haben”, hieß es dann. Klar, wenn man auf Made in China bzw. billig geeicht ist, ja.

Es war eine schmerzvolle Erfahrung. Mit viel Mühe wurden einige der Uhren noch verkauft, aber wir blieben auf der Masse sitzen. Dann interessierte sich ein Duty-Free-Shop für die Uhren und kaufte einige Hundert Stück. Hoffnung keimte  auf, aber die blieben auch auf den Uhren sitzen.

Wir gaben das Geschäft auf. Wie ich später erfahren konnte, wurden die restlichen Uhren durch den Hersteller doch noch verkauft.  An ein Land, wo die Menschen, eigentlich genau wie in der Türkei sagen : “Zwei Länder, ein Volk !” Ja, Aserbaidschaner waren stolz, Uhren mit türkischer Fahne zu tragen. Woher hätte ich wissen sollen, dass der Nationalstolz der Türken in Aserbaidschan zuhause war ?

Dieses war eines meiner ersten Versuche im Business und eine Lektion, woraus man viele Lehren ziehen konnte. Ich glaubte die Menschen aus der Türkei zu kennen (mit dem Glauben leben z.B. alle Deutschtürken). Das sie sich schwer entscheiden können, nicht bereit sind viel zu bezahlen und lieber auf Qualität verzichten als viel zu bezahlen und überlegen, was der eigene Umfeld zu der Entscheidung sagt usw. waren alles Erfahrungswerte, die mit der Zeit mir zugeflogen kamen.

Ich weiß heute definitiv, wie man es nicht machen darf.

Was Sie bei Türkeigeschäften oft erleben werden ist die Situation, wenn Sie Ihr Produkt vorstellen und auf ein “Ja” oder “Nein” vom potentiellen Kunden warten. Ganz sicher wird er mit einem Verbesserungsvorschlag kommen. Durch praktische Veränderungen am Produkt, kann man es auch für etwas anderes benutzen. Da wären Sie sicher nie drauf gekommen.

Oder die vielen Anhänger der MHP (nationalistische Partei der Türkei), die allesamt, statt “Ja” oder “Nein” fragten, ob man es nicht mit drei Halbmonden und dem Wolf in der Mitte machen könnte (Parteiemblem). Als wir sagten, das das auch geht, war deren Begeisterung für die MHP ebenfalls verflogen, denn es hätte Geld gekostet.

Noch krasser geht es dennoch. Ein Wasserrohr, mit Dauermagneten innen, sorgte dafür, dass alles Kalk und Rost in den Rohren abgetragen wurde. Ein Schweizer Qualitätsprodukt mit 10 Jahre Werksgarantie. Das Rohr hatte einen Durchmesser von 2 cm. Meine ersten Begegnung mit einem potentiellen Kunden und seine erste Frage : “Wir groß können Sie das Durchmesser machen ?” “Wie bitte ?” “Ja, können Sie z.B. Rohre mit 5-6 Metern Durchmesser machen ?” (In solchen Momenten sucht man zwangsläufig nach der versteckten Kamera). “Warum fragen Sie, was haben Sie vor ?” 

Tja, da muss man erst einmal drauf kommen. Der Mann wollte hunderte Rohre mit einem Durchmesser von 5-6 Meter bestellen (natürlich nur hypothetisch) und Istanbul ganzheitlich von Rost und Kalk befreien. “Lieber Freund, ich habe von diesem Rohr mit 2 cm Durchmesser nicht ein einziges Stück verkauft und Sie erwarten doch nicht im Ernst, dass ich jetzt den Schweizer Hersteller anrufe und ihn Frage, ob er diese mit 6 Meter Durchmesser produzieren kann”.

Anschließend wollte ich ein Demo machen. Wir montierten das Rohr in den Wassereingang eines Hauses. Bevor wir montierten wogen wir das nächste Rohrstück mit einer Goldwaage ganz genau. Würde dieses Rohrstück in 2 Wochen weniger wiegen, müsste das Haus, das Rohr kaufen (genial nicht ?). Am nächsten Tag bekam ich vom entsetzt klingendem Hausmeister des betreffenden Hauses, wo das Wunderrohr angebracht war, einen Anruf. Ich solle schnell kommen. Auf meine Frage, was den passiert sei sagte er wieder, ich solle schnell kommen. Schnell war ich in 3 Stunden durch den Istanbuler Verkehr dort hin gelangt. Unterwegs war ich am überlegen, was das Wunderrohr wohl angerichtet haben könnte und ob die mit Schadensersatzforderungen kommen würden usw. Zum Glück war es halb so schlimm. Da dieses 1.400 CHF Teil von ca. 20 cm Länge entsprechend teuer aussah, hatte man es abgesägt und gestohlen. Da es mein einzigstes Musterstück war, musste ich die Schweizer bitten mir ein zweites zu schicken. Da hätte ich gleich mitfragen können, ob 6 Meter Durchmesser auch geht. 🙂

Jetzt begreift Ihr vielleicht, dass ich nie die Chance hatte, ein Mann mit voller Haarpracht zu werden. 🙂

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