Stichtag 20. Juli 2016

Den merkwürdigen Putsch, möchte ich mal überspringen. Da ist genug gesagt und geschrieben worden. Nur so viel, dass nichts in der schönen Türkei, nach dem 15.07.2016 bzw. 20. 07. 2016, so sein wird, wie es mal war.

Auf der Straße braucht jemand nur heftig Husten, schon zuckst du zusammen. Der Mob ist allgegenwärtig. Sie fühlen sich stark und im Recht, zumal die Polizei nur zuschaut.

Eigentlich wollte ich über die Wirtschaft schreiben und ich muss irgendwie da hinkommen. Letztendlich muss die Wirtschaft, trotz der vielen Unwägbarkeiten,  funktionieren. Irgendwie scheint es das auch zu tun, jedoch gibt es Stellen, wo die Alarmglocken heftig Leuten.

Der Tourismus, das war mal. Es keimte Hoffnung auf, als die Versöhnung mit Israel und Russland in die Wege geleitet wurde, nur einige Tage später dann der Putsch. Vor der Versöhnung mit Russland, wollte man die Tourismusindustrie mit Inlandstouristen versorgen. Zu Ramadan hat das auch 9 Tage lang funktioniert. Die Beamten, die als Retter auserkoren worden waren, sollten flexibler Urlaubstage und günstige Urlaubskredite bekommen können. Gestern aber wurden, die genaue Zahl konnte ich nicht mehr verfolgen, fast 20.000 Beamte freigestellt, verhaftet usw. Dann kam noch hinzu, dass alle Urlaubstage von Beamten, bis Ende des Jahres, gestrichen wurden. Also kann man die Tourismus-Industrie erst einmal vergessen, wenn nicht gar beerdigen.

Selbst, in der Phase des 4-5 Stunden dauernden Putschversuches, sagte einer der Minister: “Ausgerechnet in dem Monat, wo wir ein Wachstum von 4,8% verkündeten und viel besser dastehen als die meisten Länder”.

Das mit dem Bessersein als die anderen, ist nur Augenwischerei. Für ein Land wie die Türkei, das sich an die Fahnen geschrieben hat, eine Industrienation zu werden, bedeuten die knapp 5% Wachstum, den absoluten Stillstand.

Die Aussage vom Minister und den anderen Regierenden klingt so, als würden sie sich über eine Note 5 bei der Arbeit  freuen, weil alle anderen eine 6 geschrieben haben.

Ihr müsst eins bedenken. Die Türkei war und ist immer noch ein Entwicklungsland, oder sagen wir besser im Entwicklungsstadium. Wachstumspotentiale zuhauf, wenn man die denn zu nutzen wüsste. Würde die Türkei 8-10% Wirtschaftswachstum verkünden, wäre es für mich normal. Natürlich nicht dieser Tage.

Seit vier Jahren gehen nun die Exporte zurück. Wie kann das sein, wo doch die Türkische Lira immer mehr an Wert verliert und die türkischen Produkte folglich, für die ausländischen Abnehmer, immer günstiger werden? Auch beim Export, müsste die Türkei zweistellige Wachstumsraten haben. Geht nicht!

Eines der Gründe dafür ist, dass die Türkei kaum High-Tech exportiert. So ist das, wenn man nur Produkte hat, die man über den Preis verkaufen kann. Immer günstiger, immer billiger. Wo soll das hinführen? Immer noch benutze ich die Zahl, die der damalige Präsident Abdullah Gül bei einer seiner Reden genannt hatte. Er sagte, dass die Türkei, um für 100 Euro exportieren zu können, für 82 Euro, Rohstoffe, Teile und Halbfertigerzeugnisse, importieren müsse. Wo soll da der Gewinn herkommen?

In diesem Jahr sollen die Unternehmenspleiten 8% über dem letzten Jahr liegen. Dabei muss man berücksichtigen, dass das letzte Jahr schon schlecht war.

So kommt es, dass die Industriellen, ihre Betriebe verkaufen, oder auflösen. Mit dem Geld, was sie dafür bekommen haben, werden sie zu Importeuren von Billigprodukten aus China, oder sie investieren die Gelder direkt in die Bauwirtschaft. Zumeist ist das Grundstück der alten Produktionshalle, dann das Bauland. Bauen ohne Ende. Die Bautätigkeit und die hohen staatlichen Investitionen im Lande sind auch der Grund für das Wirtschaftswachstum, worüber sich alle hocherfreut zeigen. Wären wir die USA, wo das Wachstum oft auch von Innen her kommt, würde ich sagen, es ist egal, wie man wächst, Hauptsache wachsen. Türkei ist aber nicht die USA. Die Unternehmen haben enorme Devisenschulden von über 200 Mrd. Euro. Diese können nur bedient werden, wenn Geld aus dem Ausland rein kommt. Worüber? Tourismus und Exporte.

Die Agrarwirtschaft ist, nach dem Ausfall von Russland, ebenfalls am Boden. Die Bauern geben auf, und was machen sie? Klar, sie bauen. Da, wo der Acker war, steht jetzt ein Gebäude. Die Produktivität geht, in allen Bereichen, dem Land verloren. Übrigens, durch Unwissenheit, war die Ergiebigkeit in der Agrarwirtschaft noch nie da. Aus den Felder hat man früher, wie jetzt auch, immer weniger erwirtschaftet als die Bauern woanders. Türkei ist auch auf dem Agrarsektor zu einem Importland mutiert. Tendenz steigend.

Statt die Industrie zu stärken, beschäftigt man sich dieser Tage auf anderen Baustellen. Die Menschen sollen leichter zu Waffenscheinen kommen, damit man einen evtl. weiteren Putsch besser vereiteln kann. Was für ein Schwachsinn! Als ob das die Lösung des Problems wäre. Das wird nur zu Blutvergießen unter den Menschen führen.

Gegen Putsch hilft nur eines: Eine intakte Demokratie!

Der Stichtag, ist der 20.07.2016. An diesem Datum tagt der Ministerrat. Anschließend werden die Entscheidungen verkündet werden und in der Türkei wird nichts mehr so sein, wie früher.

 

 

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