“Von ferne stöhnte es ach aman”

Nâzım Hikmet (Ran), (* 15. Januar 1902 in Thessaloniki; † 3. Juni 1963 in Moskau) war ein, wenn nicht der größte türkischer Dichter und Dramatiker. Er gilt als Begründer der modernen türkischen Lyrik. Sein halbes Leben saß er wegen seiner Gesinnung und seiner Schriften ein, oder war im Exil. Dieses ist eine lehrreiche Anekdote mit ihm.

Aus Ankara trafen Inspektoren ein, sie wollten das Gefängnis in Bursa inspizieren. Nach einigen Tagen der Inspektion saßen sie bei einem Kaffee im Zimmer des Gefängnisdirektors. Der Chefinspektore sagte: „Der Nâzım soll hier sein, ruf ihn doch mal, dass wir auch mal sehen, was für einer er ist.“

Nâzım wird zum Zimmer des Direktors gebracht. Der Chefinspektor, bereits auf dem Sessel des Gefängnisdirektors sitzend, schaut sich Nâzım von oben nach unten an. „Du bist also der Nâzım”. Ihm wird kein Platz angeboten, er muss während des kurzen Gespräches immer stehen. „Sie können gehen!“ heißt es danach.

Gerade, als das Zimmer verlassen wollte, dreht sich Nâzım um und fragt den Inspektor: „Kennen Sie Ömer Hayyam?*“(pers. Dichter u.a.) der Inspektor ganz forsch: „Wer kennt Hayyam nicht!“ Nâzım fragt: “Wer war den der Premier damals in Iran, zu Zeiten von Hayyam?“ Der Inspektor ist verdutzt und weiß keine Antwort.

Nâzım führt weiter aus und sagt: „Sehen Sie, den Künstler kannten Sie, aber den Regierenden nicht. In späteren Jahren, wenn es mich nicht mehr gibt, wird die Welt über mich reden und niemand wird wissen, wer der Justizminister war.“ Danach verlässt Nâzım das Zimmer und geht.

Der Inspektor merkt nach kurzer Zeit, dass er einen Fehler gemacht hat und ruft Nâzım zurück. Nur geht er den Weg weiter und kehrt nicht mehr zurück. Stimmt, wer war der Justizminister der Zeit?

1913, als 11 jähriger schreibt er “Heimatklage”. Es gilt als sein erstes Gedicht:

Es war ein nebliger Morgen
Ein Dunst schlug die Gegend in Bann
Von ferne stöhnte es ach aman
Hör zu! Deine Heimat wehklagt hier
Hör auf dein Gewissen und handle so
Des Landes zerstückelter Leib
Erwartet Hoffnung von dir.

Der Elfjährige entwirft darin sein Lebensprogramm, indem er sein zentrales Thema vorausnimmt: die Tragödie des Landes, die zugleich die eigene sein wird. Mag der Grund sein, dass ich mich ihm so nah und verbunden fühle.

(*) Omar Chayyām war ein persischer Mathematiker, Astronom, Astrologe, Philosoph und Dichter (1048-1131).

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