Warum die Türkei sich im Ausland so hoch verschuldete?
Die kurzfristigen Devisenschulden des türk. Staates, wie die der privaten Wirtschaft betrugen 2002 noch 63 Milliarden USD. Ende 2017 stand der Schuldenpegel bei 453 Milliarden USD. Wie konnte das passieren, dass die Banken der Türkei und den Unternehmen, so hohe Kredite gaben?
Die regierenden haben zu spät gemerkt, dass die Welt vom lockeren Umgang mit Geld (Quantitative Easing-QE) auf eine straffere Geldpolitik (Quantitative Tightening-QT), übergingen.
Wie in der Türkei üblich, vergisst man schnell, dass nach den sonnigen Tagen diesen auch Schlechtwetterperioden folgen. Wer ausschließlich mit geliehenem Geld wächst, wird irgendwann zwangsläufig kleiner werden müssen.
Wie sagte der CEO einer türkischen Großbank: „Die Türkei fühlt sich zwar wie ein Mercedes, ist aber ein Fahrrad.“
Demnächst werden in der Politik, wie auch in der freien Wirtschaft viele neue Bosse an die Spitze kommen. Fast alle werden die Vorgänger beschuldigen, falsch gewirtschaftet, besonders viele Schulden gemacht zu haben.
Mag sein, aber was ist mit den anderen, die so bereitwillig die Gelder hergaben? Wie konnten sich die türkischen Unternehmen, inkl. der Staat sich so hoch verschulden?
Ich sehe eines der Gründe darin, dass nach der letzten großen Wirtschaftskrise der Türkei 2002 die Banken, im Rahmen der Vorgaben der IMF sich neu organisiert und reglementiert haben. Das führte dazu, dass das Bankensystem der Türkei auf ein solides Fundament gesetzt wurde. Die Banken konzentrierten sich ab 2002 rein auf ihre Tätigkeit als Bank.
Dank auch der Reformen von Kemal Derviş, dem Finanzminister vor der AKP Regierung wurden die türkischen Banken im Ausland kreditwürdig. Er ist der Mann, dessen Reformpläne für die türkische Wirtschaft auch von Erdogan lange Zeit befolgt und umgesetzt wurden. Eine Tatsache, dem Herr Erdogan nicht wiederspricht.
Das nächste Positivum war der EU Kurs von Herrn Erdogan. Dieser erreichte seinen Höhepunkt in den Jahren 2004/2005. Das brachte mit sich, dass die EU Banken die Kreditvergabe an die Türkei lockerer angingen.
Diese drei anfänglich recht positiv erscheinenden Punkte fingen an sich im Ergebnis ins Negative umzuwandeln. Die Türkei lebte fortan immer mehr auf Pump. Die Ersparnisse im Lande gingen zurück.
Auch kann man auf das chronische Leistungsbilanzdefizit schauen. Das Verhältnis des Leistungsbilanzdefizites auf das Volkseinkommen betrug zwischen 1975-1998, 1,7%. Zwischen 2003 und 2016, also während der AKP Regierung, stieg diese Quote auf 4,8%, hat sich also verdreifacht. Was war passiert?
Durch die damals stärker vorhandene Nähe zur EU kaufte die Türkei immer mehr EU-Produkte ein. Die Finanzierung war kein Problem, denn die Europäer finanzierten gerne. Eigentlich war das passiert, was anfänglich Portugal, Spanien und Griechenland und später Albanien, Nord-Makedonien, Kroatien und Serbien passierte. Auf dem Weg in die EU öffneten die EU-Banken die Schleusen und bedienten sie alle.
Eigentlich hat die Türkei genug gelebte Beispiele vorgefunden, wie die obige Länderaufzählung zeigt, nur in die Falle tappte man trotzdem.
Die Geberbanken bzw. -Nationen waren gierig geworden, denn im eigenen Land konnte man keine Zinsen bekommen, aber in der Türkei war noch was zu holen.
Je leichter die Kredite zu holen waren, umso weniger wurden die Ersparnisse der türkischen Bevölkerung.
Die Nähe zur EU und die dadurch erzeugte positive Stimmung bei Gebern, wie Nehmern, brachte die Türkei heute an den Rand des Ruins. Wenn wir dieses als eines der Gründe herausstellen, müssen wir dennoch den Schuldigen auf der Nehmerseite suchen. Niemand hat die Türkei bzw. die Privatwirtschaft gezwungen, so viel Kredite aufzunehmen. Wie die Geber nach hohem Verdienst gierig waren, so waren die Türken scharf auf die leicht zu bekommenden Kredite.
In dieser Zeit gab es auch sehr viele ausländische Direktinvestitionen Richtung Türkei. Gäbe es die Europäer nicht, dann hätte die Türkei niemals so viele ausl. Direktinvestitionen generieren können.
Dennoch, bei allem muss man eines feststellen. Die EU ist ein verlässlicher und immer lohnender Partner der Türkei. Auch der Handel untereinander ist gut balanciert. Die Türkei ist 6. größter Exportmarkt der EU und die Türkei ist 4. größter Importmarkt der EU. Weil die Exporte und Importe jeweils um 80 Mrd. USD bewegen, ist man fast geneigt zu sagen: „Hätte sich doch die Türkei nur an die EU gehalten.“
Allein diese Zahlen zeigen, dass die Theorien, dass das Ausland die Türkei fertigmachen möchte, nicht so recht stimmen können. Die Wirtschaft geht ihren Weg, die Politik muss dem nur folgen, oder die Wirtschaft mit falschen Entscheidungen, im Besonderen in der Geldpolitik, nicht belasten.
Wer aber schon immer an den Komplott des Auslandes glaubte, hätte besser Vorkehrungen treffen und sich nicht in solch eine Abhängigkeit vom Ausland begeben sollen. (ard)