Am falschen Ende sparen hat in der Türkei Tradition
Immer habe ich mich darüber aufgeregt, dass Innovationen in der Türkei keine Chance hat. Ein Bekannter von mir besaß eine Produktionsstätte mit einem Maschinenpark von ca. 130 Mio. Euro (Neuwert). Die Branche verschweige ich mal. Als wir uns zufällig trafen, sagte er, dass er sein halbes Werk nach China verlagern würde. Warum er tat, was klar. Er wollte noch günstiger produzieren. „Du exportierst hauptsächlich nach Deutschland, nicht wahr?“ „Ja, bald 85% der Waren gehen nach Deutschland“ sagte er.
Mir wollte das nicht in den Kopf gehen. Warum platziert man die Produktion 7.000 km vom Abnehmer weg? Könnte die Rechnung mit den günstigeren Arbeitskräften auf diese Entfernung aufgehen? Selbst bei solch einem großen Vorhaben, musste ich feststellen, dass man dachte, dass man ‚gefühlt‘ günstiger produzieren würde. Es gab nämlich keine Machbarkeitsstudie und keinen Business-Plan.
Mein Vorschlag war, nach einer Machbarkeitsstudie, die Teilproduktion nach Sachsen zu verlagern. Ich wusste auch, wo genau. Natürlich war er nicht bereit, die Machbarkeitsstudie zu bezahlen. 50 – 60 Mio. Euro Wert auf Verdacht nach China verlagern, aber kein Geld für eine Studie ausgeben. Das ist typisch Türkisch. Sparen am falschen Ende hat Tradition in der türkischen Wirtschaft. Es waren meine guten Jahre, dass ich die Machbarkeitsstudie aus purer Neugier, ohne einen Auftrag machte. Meine Vermutung war richtig, die Rechnung ging auf. Ein Teil der Produktion in der Türkei realisieren und in Deutschland so viel tun, dass man am Ende „Made in Germany“ auf dem Produkt stehen hat.
Dann würde man nicht mehr über den Preis verkaufen, sondern anfangen Geld zu verdienen. Als ich dann noch sagte, dass die Grundstücke 4 Euro/m² kosten würden und man auf die Eigenmittel, die man einbringt, nochmal soviel geschenkt bekommt, hatte er Dollarzeichen in den Augen. „Ahmet, dann machen wir das so, dass ich meinen halben Maschinenpark nach D transportiere und nochmals den gleichen Betrag als Fördermittel bekomme“. Ich sagte, dass die Maschinen lediglich einen Neuwert von 50-60 Millionen Euro hätten, aber schon längst abgeschrieben und alt wären. Der Gutachter in Deutschland würde die Maschinen evtl. auf 2-3 Mio. Euro (Schrottwert) schätzen, wenn überhaupt. Dann hat er was gesagt, womit ich gar nicht gerechnet hätte. „Egal, wenn die auf 3 Mio. schätzen und nochmals drei draufgeben, kann ich mit dem Geld hier in der Türkei arbeiten.
Wir sind uns nie mehr wieder begegnet. Er mietete wohl irgendwo in China ein Gebäude, aber die Chinesen erlaubten ihm nicht, die alten Maschinen ins Land einzuführen. Bestimmt dachten die Chinesen, dass der Bekannte von mir ein Schrotthändler war und nicht eines der angesehensten Produzenten seiner Branche in der Türkei. Fünf Monate nach unserer Begegnung ging er Pleite und 900 Mitarbeiter verloren ihren Job.