Ich war heute bei den Oestreicher’s, aber sie waren nicht da
Als ich vom Stolperstein-Projekt des Künstlers Gunter Demnig erfuhr, die er zur Erinnerung an die Opfer aus der Zeit des Nationalsozialismus verlegt, musste ich unbedingt welche finden. Gerade an diesem besonderen Tag des Reichspogromnacht. Ich war heute bei den Oestreicher’s. Markus und Antonie Oestreicher lebten in Aschaffenburg, Steingasse 2, als sie 1942 zum KZ Theresienstadt deportiert wurden. Markus Oestreicher war Besitzer einer Metzgerei. Er starb laut der offiziellen Todesfallanzeige des Ghettos Theresienstadt an einer Blutvergiftung durch Rotlauf, auch Wundrose genannt, mit Brand des linken Unterschenkels. Wie Antonie, die Ehefrau zu Tode kam weiß man nicht. Während sie im März 1943 verstarb, kam Markus Oestreicher einige Monate später, im September 1943 ums Leben.
Das ist die Eingangstür ihres Hauses (Video). Sie hätten hier mit ihren Kindern und Enkeln, mit ihren Sorgen und Freuden weiterleben können.
Wem standen sie im Wege, die Oestreicher’s 73 bzw. 64 Jahre alt und die anderen 5,6 bis 6,3 Millionen Toten der Schoah?
Niemandem. Merkt Ihr wie sinnlos der Hass ist, wie sinnlos der Antisemitismus ist, wie sinnlos der Ausländerhass ist, wie sinnlos der Hass überhaupt ist?
Meine Gefühle, als ich die zwei Namen dort sah, vermag ich nicht in Worte zu fassen. Als ob ich dabei war, als sie abgeführt wurden. Die Steingasse in Aschaffenburg ist heute eine Einkaufsstraße und Fußgängerzone. Die Menschen ziehen vorbei, treten auf deren Namen und wissen nicht, was für schreckliche Dinge sich hier vor 76 Jahren abgespielt haben müssen. Eine Schande, dass Menschen Menschen so etwas antun konnten. So etwas darf sich niemals wiederholen. Unten habe ich die Liste der Stolpersteine aufgeführt. Sucht danach, gedenkt an diese Menschen und erzählt Kindern und Jugendlichen davon, was war in Deutschland, zu Zeiten des Nationalsozialismus. Ich war bei den Oestreicher’s, aber sie waren nicht da. Mögen sie und all die vielen Toten der Schoah (הַשּׁוֹאָה) ihr Frieden gefunden haben.
Diese Stolpersteine sind vor einem Imbiss am Roßmarkt 10 in Aschaffenburg. Vor dem Haus, wo die Ehrlich’s und Glicka Baitel wohnten.