Rotes zum Jahreswechsel – Wenn du nicht durchblickst, bist du in der Türkei

EINMAL HINGESCHAUT – Mein TAGESSPIEGEL – Beitrag aus dem Weltspiegel Teil von heute. Ahmet Refii Dener über die Lingerie-Vorlieben türkischer Frauen in den Großstädten.
Weil er nicht flüssig war, hatte mich ein Auftraggeber in den neunziger Jahren in Naturalien bezahlt: Ich wurde mit meinem damaligen Projektpartner der Miteigentümer eines kleinen Ladens auf einer Top-Einkaufsstraße in Istanbul. Was tun? Verkaufen oder vermieten waren die Optionen. Ich brachte ein „Zu vermieten“-Schild an. Noch während ich dabei war, sagte ein Passant: „Ich miete es und gebe Ihnen zehntausend Dollar.“ Ich wurde unsicher. Hatte der Laden noch mehr Raum nach hinten hin als die vier mal fünf Meter? Es dauerte einige Sekunden, bis sich meine Überraschung legte. Das veranlasste den Mann, sein Angebot auf zwölftausend Dollar im Monat zu erhöhen. Das Wort „Monat“ machte mir erst bewusst, dass er schon beim ersten Mal nicht die Jahresmiete gemeint hatte.

„Was möchten Sie denn verkaufen?“, fragte ich. „Bluejeans. Ich habe auf der Straße noch vier andere Läden, die Bluejeans laufen gut.“ Auch heute noch müssen die großen Labels in der Türkei – wegen der kleinen Ladeneinheiten – auf einer Straße mehrere Läden mieten, um auf die erforderliche Verkaufsfläche zu kommen. Während ich dem Interessenten sagte, dass ich mich bei ihm melden würde, nahm ich das „Zu vermieten“ wieder ab. Ich rief meinen Miteigner an und sagte, dass wir uns selber im Einzelhandel versuchen sollten.

Nur womit? Ich ging die Straße auf und ab und suchte nach der zündenden Idee. In einem Schaufenster sah ich die erste Raumkapsel der Russen als kleines Modell. Es war ein Miederwarenladen, die Raumkapselmodelle waren die Körbchen der lieblos designten BHs. Den türkischen Frauen musste geholfen werden! Wir eröffneten ein Lingerie-Laden und boten die schönsten Modelle aus Frankreich. Die Ware kaufte ich nicht zu knapp bei der Igedo-Messe in Düsseldorf. Da ich keine Ahnung hatte, was gut laufen könnte, kaufte ich bevorzugt die Modelle, bei dem die Models, die sie trugen, mich am nettesten anlächelten.

Als wir in Istanbul auspackten, wurde mir ganz anders. Mehr als die Hälfte der Ware waren rote BHs, Stringtangas, Slips, Nachtkleider Mir wurde rot vor Augen. Am 17. Dezember eröffneten wir den Laden und wieder einmal lernte ich dazu: Die türkischen Frauen – zumindest in den Großstädten – ziehen zu Silvester rote Unterwäsche an. Wer Rotes kaufte, kaufte noch anderes dazu. Am 20. Dezember brachte ich ein Schild am Laden an: „Wegen Umbauarbeiten geschlossen.“ Wir hatten keine Ware mehr.

Erkl.: Die komplette Geschichte, mit allen Details, gibt es in meinem Buch, “Kaltstart X – Wir oft kann ein Mensch von vorne anfangen?”, zu lesen.

Kaltstart X - Das Buch von Ahmet Refii Dener

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