Dener – Ein Name, wie ein Generalschlüssel
Wenn du im Ausland lebst, kannst du deinem Neugeborenen das Leben einfacher machen. Nämlich mit dem passenden, leicht auszusprechenden Namen.
In der Anekdote geht es um meinen Großvater. Aber ich würde mich nicht wohlfühlen, wenn meine großartige Großmutter nicht auch erwähnt würde. Sie war die erste weibliche Lehrperson an einer Universität in der Türkei und das mit 26 Jahren. Mathematik, Algebra, Handelslehre und Astronomie waren ihre Hauptfächer. Sie und mein Großvater schrieben bis zum Jahr 1974 hunderte von Lehr- und Fachbüchern. Als ich in der sechsten und siebten Klasse des Gymnasiums in der Türkei war, waren beide die Autoren meiner Physik- und Mathematikbücher.
Das Gesetz zur Verwendung von Nachnamen bzw. Familiennamen
Kommen wir nun zu dem Gesetz von 1936 über die Verwendung von Nachnamen, bzw. Familiennamen. Den Nachnamen konnte man selber wählen. Der Name sollte ein türkisches Wort, oder aus einem Wort türkischen Ursprungs gebildet sein. Die Annahme eines Familiennamens hatte bis zum 2. Juli 1936 zu erfolgen. War dies nicht der Fall, so wurde der Name vom Gouverneur, Dorfvorsteher, oder von dazu berechtigten Personen vergeben. Dabei standen etwa Aşiret- (Stammes), ausländische, anstößige oder lächerliche Namen nicht zur Auswahl. Das Gesetz wurde auch dazu genutzt um Stammesstrukturen aufzubrechen.
In gewissen Stämmen kam es vor, dass Geschwister und Eltern jeweils verschiedene Nachnamen bekamen. Ferner durften nach dem Gesetz Nr. 2590 keine Anreden und Titel wie „Efendi“, „Bey“ oder „Pascha“ geführt werden und nichttürkische Namensendungen wie armenisch -yan, slawisch -viç oder griechisch -pulos waren verboten. Juden, Griechen und Armenier mussten ihre Namen nicht ändern. Viele taten es aber, um nicht als Angehörige einer ethnischen Minderheit aufzufallen (wie schade).
Dank Agop Martayan bekam Mustafa Kemal Pascha den Namen Atatürk
Dem Staatsgründer Mustafa Kemal Pascha verlieh die Große Nationalversammlung, auf Vorschlag des armenischen Sprachwissenschaftlers Agop Martayan, der seinerseits den Nachnamen Dilâçar annahm weil er zu denen gehörte, die ihre Herkunft nicht an die große Glocke hängen wollten, damit sie nicht als ethnische Minderheit auffielen, den Namen „Atatürk“ („Vater der Türken“).
Deutsch geeicht
In der damals säkularen Türkei, war unser Großvater ziemlich europäisch, aber im Besonderen Deutsch geeicht. Dabei sprach er nur Englisch und Französisch. Er holte immer deutsche Professoren an die naturwissenschaftliche Fakultät der Universität von Ankara, die er 1944 gegründet hatte. Physiker Hayri, wie er bis zum Nachnamengesetz genannt wurde, nahm sich die Telefonbücher von Rom, Bonn, London und Straßburg vor. Übrigens, Telefonbücher gibt es in Deutschland seit 1881, dem Geburtsjahr von Atatürk.
Ein Name wie ein Generalschlüssel
Es galt einen Nachnamen zu finden, den man in all diesen Telefonbüchern finden konnte und im Türkischen einen Sinn ergab. Auch, wenn Dener ihm am besten gefiel, muss er noch zwei andere gehabt haben, von denen wir nicht wissen, welche diese waren. Einer seiner Mitstreiter in der damaligen Zeit schreibt in seinen Memoiren, dass mein Großvater, Mustafa Kemal Atatürk, diese drei Namen vorgelegt haben soll. Er sollte bestimmen, welchen Nachnamen er annehmen sollte. Atatürk soll gesagt haben: „Hayri Bey, wir wissen, dass sie ein höflicher Mensch sind und deshalb mich fragen, wo sie doch genau wissen, dass ein Name ganz besonders gut zu ihnen passt.“
So bekam der Physiker Hayri den Namen ‚Dener‘, welches im Türkischen ‚Versuchen‘ bedeutet. Ein Name, wie er für einen Professor der angewandten Physik kaum besser passen könnte. Eigentlich wird es im Türkischen, wie die Schweizer Lebensmittelkette Denner ausgesprochen und im Deutschen Dena.
Wer zuletzt kommt…
Da die Türken damals wie heute, alles auf die letzte Minute erledigen, bekamen die meisten Menschen von Dritten Personen, die o.g. schon erwähnt wurden, einen Nachnamen verpasst.
Mit dem richtigen Namen unterwegs
Der Nachname mag auch mit ein Grund dafür sein, dass wir uns von Hause aus, schon immer in Deutschland angekommen, gar europäisch fühlten. So wurde bei meinem Sohn der Vorname ebenfalls mit Bedacht ausgesucht. Türkisch, aber im Deutschen leicht auszusprechen. So können sich Menschen, ohne ihre eigene Identität aufzugeben, doch dem Land anpassen, in der sie leben.