„Über sieben Bürgen musst du gehen, sieben dunkle Jahre überstehen…“

Eine Wohnung anzumieten ist auch so ein leidiges Thema. Wenn man noch dazu ein Migrationshintergrund hat, kann es ganz bitter kommen, wobei man die Trennlinie, zwischen vorsichtig sein, seitens der Vermieters und rassistische Diskriminierung, nie so richtig ziehen kann.

Der Türke in der Türkei hat es auch nicht einfach. Die türkischen Vermieter nehmen lieber einen Ausländer als einen Türken. Bevor ich erzähle, wie mir u.a. Erdogan im Wege stand, dass ich in Deutschland eine Wohnung bekam, zuerst die aktuelle Geschichte einer Freundin:

„2.Staatsexamen bestanden.Bin nun Lehrerin an einer Schule in #Gelsenkirchen. Habe letzte Woche meinen Mietvertrag unterschrieben, da ich nicht jedes Mal von #Köln in den Ruhrpott fahren wollte. Heute ruft die Vermieterin an, und fragt ob mein Arbeitsvertrag „echt“ sei. Originalton: „Ich möchte nur sichergehen, ob Sie auch tatsächlich Lehrerin sind. Wissen Sie, so einen Arbeitsvertrag kann man ja heutzutage im Internet herunterladen und selbst ausfüllen. Ach ja, und ich würde gerne Ihren Personalausweis im Original sehen.“ Ich bin völlig perplex. Eigentlich hatte ich geplant heute die Wohnung zu putzen, damit sie bezugsfertig ist. Und jetzt darf ich trotz gültigem Mietvertrag und einem Schlüssel nicht die Wohnung betreten, weil sie erstmal die Sicherheit haben möchte, dass meine Angaben stimmen. Als ich die Wohnung besichtigt habe und wir den Mietvertrag durchgegangen sind war alles in Ordnung, aber laut ihrer Aussage hätte sie erst danach ein „merkwürdiges Gefühl“ bekommen. Auf welchen Fakten dieses „Gefühl“ basiert konnte sie mir nicht sagen. Ich musste meinen Schulleiter benachrichtigen und von ihm eine zusätzliche Bescheinigung anfordern in der drinsteht, dass ich tatsächlich Lehrerin bin und an der besagten Schule in Gelsenkirchen unterrichte. Ich habe jetzt schon keine Lust mehr in diese Wohnung einzuziehen, und dass obwohl ich sie sehr schön finde. Und ich frage mich ob ich all diesen Stress wohl gehabt hätte, wenn mein Name „Lisa“ oder „Anna“ wäre und nicht „Bahar“. #Rassismus begegnet mir in meinem Leben nicht zum ersten Mal, aber wenn ich ehrlich bin ist es bitter trotz 2. Staatsexamen und einem gültigen Arbeitsvertrag mich immer noch „beweisen“ zu müssen. Es schmerzt sehr, wenn man aufgrund seiner vermeintlich „fremden“ Herkunft kriminalisiert wird. Warum muss ich mich als Akademikerin immer noch mit Vorurteilen herumschlagen? Allein mein Name erzeugt ein Bild, gegen dass ich nicht ankämpfen kann. Das macht echt müde. Will man Diskriminierung am Wohnungsmarkt nachweisen, stellen sich einige Probleme. Das liegt nicht zuletzt daran, dass ein Großteil der Diskriminierung nicht offen, sondern verdeckt abläuft. Zusätzlich kommt noch hinzu: Meine Bonitätsauskunft von der #SCHUFA welche ich online beantragt und persönlich bei der Vermieterin abgegeben habe war anscheinend nicht glaubwürdig genug. Heute sollte ich zusätzlich ein Formular ausfüllen mit der man (nochmals) überprüfen möchte ob ich auch wirklich in der Lage bin die Miete in Höhe von 420,00€ zu bezahlen. Ich bin wirklich fassungslos. Da reiche ich ein offizielles Dokument ein und man glaubt mir trotzdem nicht. Die Vermieterin möchte selbst nochmal abchecken ob ich zahlungsfähig bin und dass obwohl in dem offiziellem Dokument welches ich eingereicht habe ausschließlich positive Vertragsinformationen vorliegen. Nach dem Gespräch mit der Vermieterin habe ich erstmal geweint, weil ich so unfassbar wütend bin! Trotz einem Hochschulabschluss, einem 2.Staatsexamen und mehreren offiziellen Dokumenten, muss ich mich immer noch erklären und einer Prüfung unterziehen! An alle die der Ansicht sind, dass es kein #Rassismus wäre: Ich habe keine Kapazitäten und keine Kraft mehr, privilegierten weißen Menschen zu erklären was an dem besagten Fall #rassistisch ist und dass nur weil sie ignorant sind.“

Für oder gegen Erdogan?

In meinem Fall war es so, dass ich den ersten Aufreger vorweg hatte. In Berlin hatte ich fast ein Jahr keine Wohnung gefunden, die ich hätte bezahlen können. Dann traf ich auch noch einen Beamten bei der Ausländerbehörde, der mit 29 Jahren Erfahrung in Amt und Würden dasaß und mir sagte, dass die Familienzusammenführung ein Massengeschäft sei und so schnell nicht funktioniere. Aus diesem Grund würde es 8-10 Monate dauern. Dabei sagte er auch, wie oben bei der Erzählung der Freundin, dass er jede Bescheinigung auf Herz und Nieren überprüfen würde.

„Kann doch sein, dass die Belege nicht echt sind wa?“ Also suchte ich mir ein Städtchen aus, wo alles übersichtlicher war, aber leider 550 km entfernt. Jede Wohnungsbesichtigung bedeutete einen ganzen Tag und knapp 250 Euro an Kosten, hauptsächlich Fahrtkosten.

Nach fünf Besichtigungstagen hatte ich endlich eine Mietzusage. Es war nicht einfach, zumal in der Gegend nie mehr wie 30 Mietobjekte zur Verfügung standen.

„Deutsches Ehepaar“, „Ohne Kinder“, „Ab … Euro/Monat Gehalt“ usw. sind bekannt.

Dann landete ich ein Volltreffer. Ich bekam die Zusage und den Termin zur Vertragsunterzeichnung in zwei Wochen. Jetzt könnte ich mit den restlichen Planungen loslegen.

Der Flug zum o.g. Termin war gebucht als dann nach zehn Tagen der Anruf kam. „Ich muss Ihnen mitteilen, dass ich meine Familie nicht überzeugen konnte, Sie als Mieter zu akzeptieren“. Also hatte der Familienrat getagt. Die Eltern und die Zwillinge von zehn Jahren, hatten sich gegen mich entschieden. „Was war der Grund?“ fragte ich. „Ja, wissen Sie, das mit Erdogan, Sie kritisieren ihn andauern.“ Scherzhaft fragte ich die gute Frau: „Sind Sie etwa für ihn?“ „Nein um Gottes Willen, natürlich nicht, aber die scharfe Kritik von Ihnen, ist das nicht riskant?“ „Für die Vermieter nicht und außerdem ich kritisiere nicht Herrn Erdogan sondern das Unrecht. Was ist mit der Würde des Menschen, den Menschenrechten u.a.?“ „Ja, Sie haben ja recht, aber…“

Zwei Wochen später hatte ich dann die Zusage von einem anderen Vermieter. Endlich! Auch hier zu früh gefreut. „Ihr Schufa ist zwar sauber, ich bin ja auch sicher, dass Sie die Miete zahlen können (da war ich mir nicht so sicher), aber besser wäre es, wenn da noch ein Bürge wäre“. Ich erinnerte mich an das Lied (etwas abgewandelt) „Über sieben Bürgen musst du gehen, sieben dunkle Jahre überstehen…“ von Karat.

Wir wohnen jetzt in der besagten Wohnung.

Übrigens, wer ‘Pro-Erdogan’ ist, bekommt die Wohnung schon mal gar nicht, es sei denn der Vermieter ist auch ein Fan von ihm. In so einer Wohnung wohnen, unweit von mir, meine Freunde. Sie sind zu schweigsamen Menschen mutiert, zumindest reden sie nicht mehr über Politik. Der Vermieter wohnt direkt gegenüber.

Es ist nicht fair alles auf Rassismus zu reduzieren. Klar verstehe ich den Vermieter, ist der Mieter einmal drin, bekommt man ihn schlecht wieder raus. Ein Diskussionsthema bleibt es dennoch.

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