Ans Messer geliefert

Ahmet Refii Dener über Operationen auf türkische Art. Aus dem Tagesspiegel v. 31. Juli 2019 (Kultur/Weltspiegel).
“Das Salz in der Suppe sein“, diese Redensart kennen wir. Warum gerade Salz in der Suppe? Weil ohne Salz jede Suppe ziemlich fad schmeckt. Im Türkischen wird dieses Sprichwort etwas anders angewandt: „Schmeiß auch was rein, damit du auch dein Salz in der Suppe hast!“ Soll heißen: Wir machen hier was für die Allgemeinheit, tu’ auch etwas Geld rein, damit du dich zugehörig fühlen kannst.
Kommen wir wieder auf die ungenießbare Suppe zurück. Es gibt einen Berufszweig in der Türkei, auf den das Zitat passt – nicht immer, aber doch sehr oft. „Biçak Parasi“ B’chack ausgesprochen bedeutet „Messer“ und in diesem Beruf „Skalpell“. Beide Wörter zusammen bedeuten „Skalpellgeld“. So wie die Suppe ohne Salz ungenießbar ist, ist der Chirurg ohne Skalpellgeld ebenfalls ungenießbar. Durchaus möglich, dass sein Terminkalender auf einmal zu voll ist, nur weil Sie ihm kein Skalpellgeld geben.
Ich habe es bei meiner Mutter erlebt. Als wir mit dem operierenden Arzt sprachen sagte dieser, dass alle Kosten von der Kasse übernommen werden würden. Bis auf das Skalpellgeld. Im Türkischen heißt es „Messergeld“. Bei diesem Wort überlegst du schon, ob du beim Metzger gelandet bist, der die Rinderfilets nur schneidet, wenn du ihm Messergeld gibst. Bei meiner Mutter war es eine Bandscheibenoperation und der Arzt wollte viertausend Euro Skalpellgeld. Wir hatten lange nach diesem Arzt gesucht und wussten, dass er eine große Nummer war in seinem Fach. Also nickten wir. Als die Operation dann acht Stunden dauerte, merkten wir, dass alles relativ ist. Wir vergaßen, dass die Versicherung sowieso alles bezahlte und rechneten um. Fünfhundert Euro pro Stunde für einen Chirurgen, waren „gefühlt“ nicht so viel.
Mitten drin der Schock. Während wir vor dem Operationssaal warteten, kam der Chirurg in seinem blutverschmierten Kittel auf mich zu: „Haben Sie das Geld dabei?“ Ich war richtig benommen, denn während ich hören wollte, wie es meiner Mutter geht, die, wie wir später feststellten, noch weitere vier Stunden operiert wurde, wollte der Typ Geld sehen. Als ob er sagen wollte: „Geld her, oder du bekommst deine Mutter nicht!“ Ich sagte, dass wir das aus Deutschland nicht kennen, und ich ihm das Geld am nächsten Tag vorbeibringen würde. „Bringen Sie das Geld in meine Privatklinik und achten Sie darauf, dass nur Frau Yildirim den Betrag bekommt“. Aha, nicht nur Messergeld verlangen, sondern auch den Klinikpartner bescheißen. Passt!
Ahmet Refii Dener arbeitet als seit über 30 Jahren als erfolgreicher Türkei-Berater für deutsche Mittelständler und Großunternehmen. 2017 ist ARD, wie sich der Blogger (ichmeinsgut.de) nennt, nach Berlin gezogen. Mittwochs schreibt er an dieser Stelle.
