Reisen bildet

Meine heutige Kolumne aus dem Tagesspiegel (Weltspiegel).

So eine Japan-Reise mit den vielen Eindrücken und Erfahrungen, die man dort macht, kann viel wert sein. Der türkische Alleinherrscher war vor zwei Wochen noch auf dem G-20-Gipfel in Osaka, bei dem es auch für die Türkei um wichtige Themen ging. Nach seiner Rückkehr war eine seiner ersten Stellungnahmen: „Japan hat 800 Universitäten und zehn Prozent davon sind nur für Frauen. In der Türkei gibt es Gymnasien für Mädchen und Jungen getrennt, allerdings hat man viele davon wieder gemischt. Wir sind gerade dabei, das Ganze wieder zu richten. Das sollte auch bei den Universitäten der Fall sein.“ Halleluja, Brüder und Schwestern! Was ist denn das? Da kommt ein Staatsmann von einer Japan-Reise zurück und hat nur dieses eine zu berichten? Ja, so ist er halt. Er lebt in seiner eigenen Sphäre, jenseits von Gut und dicht bei Böse beziehungsweise dort zu Hause.

Nach einer Recherche im Internet stelle ich fest: In Japan gibt es 97 private und staatliche Universitäten beziehungsweise Hochschulen und keine 800, wie der große Meister sagte. Da lachen ja die Hühner, denn die Türkei hat gleich 203 Stück. Die Türkei ist also – nach dem Verständnis von Herrn Erdogan – besser als Deutschland und Japan zusammen. Eine geballte Ladung Wissen, wo du nur hinschaust. Die jungen Menschen sind durchaus wissbegierig und nicht dumm, denn wenn sie ins Ausland gehen und dort studieren, sehen wir, dass sie zu großen Dingen fähig sind. Aber nicht in der Türkei.

Der Türke glaubt, dass die Pisa-Studie nur gemacht wird, um das türkische Bildungssystem zu erniedrigen. Fremde Mächte haben ihre Finger im Spiel. Vielleicht sogar George Soros oder gar die EU? Komplott-Theorien beherrscht der Türke aus dem Effeff, dafür braucht er kein Universitätsdiplom.

Im Schnitt wird alle zwei bis drei Jahre das Bildungssystem umgekrempelt. Vor einigen Jahren wurde sogar Osmanisch als Wahlfach eingeführt, um danach festzustellen, dass es keine LehrerInnen dafür gibt. Wozu Osmanisch gut gewesen wäre, wurde in einem Satz erklärt: „Man hätte dann die Grabsteine unserer Vorfahren lesen können.“ Lesen wohlgemerkt, Verstehen ist eine andere Schublade. Da frage ich mich, wozu das gut sein soll, die Grabsteine zu lesen, wenn man den Koran in Arabisch liest. Für das bessere Verständnis des Korans ist wiederum der politische Islam zuständig. Jeder hat dazu seine Texte und Kommentare, wie was gemeint ist, gemeint sein könnte oder müsste. Ich sage: Schwamm drüber!

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