Dostluk Yurdu Sokağı: Ein Istanbuler Straßenname als Zeichen der deutsch-türkischen Freundschaft.

Von Thomas Weiberg, Historiker, Berlin.

Vor mehr als einhundert Jahren, im April 1917, erfolgte die Grundsteinlegung für das ›Haus der Freundschaft‹ in Konstantinopel. Dabei handelte es sich um ein bemerkenswertes Projekt, an das zu erinnern mir gerade dieser Tage sehr wichtig scheint. Anstatt immer genau zu wissen, was ›uns Deutsche‹ von den Türken sowie ›uns Türken‹ von Deutschen trennt, lohnt sich ein Blick in die gar nicht so ferne und doch so fremd anmutende Vergangenheit…

Die Aktivitäten der im Frühjahr 1914 in Berlin gegründeten Türkisch-Deutschen Vereinigung mit ihrem umtriebigen Sekretär Ernst Jäckh als Ideengeber waren vielfältig und dabei sehr zielgerichtet. Gemeinsam mit dem Deutschen Werkbund wurde, trotz des Weltkrieges, im Jahr 1916 ein Architekturwettbewerb für ein in Konstantinopel zu errichtendes ›Dostluk Yurdu‹ — ›Haus der Freundschaft‹ ausgeschrieben; die Gelder dafür hatte die Deutsch-Türkische Vereinigung in Deutschland gesammelt.

Namhafte Architekten (unter ihnen Peter Behrens, Bruno Taut, Paul Bonatz, Walter Gropius, Hans Pölzig sowie Richard Riemerschmid) reichten Entwürfe ein, der renommierte Architekt German Bestelmeyer trug den Sieg davon. Der ein ganzes Stadtquartier umfassende Bau sollte an prominenter Stelle errichtet werden — nämlich genau gegenüber der Türbe Sultan Mahmuds II. an der Divan Yolu Caddesi, das mehr als fünftausend Quadratmeter große Grundstück stellte die osmanische Regierung zur Verfügung.

Am 27. April 1917 legte eine illustre Delegation osmanischer und deutscher Würdenträger den Grundstein für das Dostluk Yurdu, es war der achte Jahrestag der Thronbesteigung Sultan Mohammeds V. Eben deshalb hatte Kaiser Wilhelm II. diesen Tag für die Zeremonie ausgewählt. Im Oktober desselben Jahres besichtigte der Kaiser dann während seines dritten Besuches am Bosporus die Baustelle.

Ein Beleg dafür, welch hohen Stellenwert Wilhelm II. diesem Projekt, das als sichtbares Zeichen der Freundschaft beider Reiche weit in das zwanzigste Jahrhundert wirken sollte, beimaß, ist die Tatsache, daß er die Besichtigung des Bauplatzes im Oktober 1917 überraschend an den Anfang des Besichtigungsprogramms in Konstantinopel stellte und sich von Ernst Jäckh vor Ort persönlich unterrichten ließ. Sowohl von der Grundsteinlegung als auch von der Visite des deutschen Kaisers auf der Baustelle wurden damals Filme hergestellt, die für längere Zeit in zumindest einem Kino in der osmanischen Hauptstadt gezeigt wurden.

Die Grundsteinlegung wenige Monate zuvor hatte der deutsche Kaiser mit folgender Glückwunschdepesche an die Türkisch-Deutsche Vereinigung gewürdigt:

»Ew. Exzellenz spreche Ich für die Mir im Namen der Türkisch-Deutschen Vereinigung erstattete Anzeige von der heutigen Grundsteinlegung dieses Hauses der Freundschaft besten Dank aus. Es ist Mir eine besondere Freude, daß der Tag, der in der Geschichte des osmanischen [sic] Reiches durch die Thronbesteigung S.M. des Sultans, Meines treuen Verbündeten und verehrten Freundes, geweiht ist, durch die bedeutungsvolle Handlung an diesem Tage auch in der Geschichte der Beziehungen des deutschen und türkischen Volkes denkwürdig bleiben wird. Möge das Haus der Freundschaft als stolzes Denkmal des in schwerer Zeit ruhmreich bewährten Bundes bald seine Pforten öffnen und in langen Jahren segensreicher Friedensarbeit zum Mittelpunkt der gemeinschaftlichen großen Kulturinteressen werden.«

Auch Sultan Mohammed V.(Mehmed Reşad) hatte anläßlich der Grundsteinlegung am 27. April ein Glückwunschtelegramm übersandt:

»Ihre Depesche, die Mir die Grundsteinlegung des Hauses der Freundschaft meldet, hat Meine größte Befriedigung gefunden. Ich begrüße die Inangriffnahme dieses Werkes mit lebhafter Genugtuung, verspreche ihm Meinen Schutz und wünsche von Herzen, daß das hohe Ziel, die kulturellen Beziehungen der beiden Völker zu fördern, recht bald erreicht werden möge.«

Der so wohlwollend begrüßte ›Mittelpunkt der gemeinschaftlichen Kulturinteressen‹ wurde indes nicht vollendet, wuchs über den Grundstein kaum hinaus. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges und dem Zusammenbruch des Reiches im November 1918 wurden die Bauarbeiten eingestellt, das dafür gesammelte Kapital sollte nun für in Deutschland verbliebende türkische Lehrlinge — immerhin mehr als 5000 (gegenüber mehr als 12.000 im Jahr 1907 allein in Deutschland) in Deutschland und Österreich-Ungarn — Verwendung finden.

Die Fundamente des Hauses der Freundschaft an der Divan Yolu Caddesi wurden vor etlichen Jahren erst bei der Bebauung des Grundstückes mit einem Hotel beseitigt. Ein Straßenname in der Nähe — Dostluk Yurdu Sokağı — erinnert jedoch an das im Bewußtsein der beiden Nationen heute kaum mehr präsente Projekt. Es mag als eine eigentümliche Fügung oder Zufälligkeit erscheinen, daß Abdül Hamid II., eben der Sultan, dem so viel an der osmanisch-deutschen Freundschaft gelegen war, im Frühjahr 1918 genau gegenüber diesem (nie realisierten) Haus der Freundschaft beigesetzt wurde. Eine eigene Türbe wurde ihm allerdings, wie bereits erwähnt, verweigert.

Noch 1918 erschien im Auftrag des Deutschen Werbundes ein Buch, das ausführlich alle für den Architekten-Wettbewerb eingereichten Entwürfe für das Haus der Freundschaft vorstellte. Die Einführung zu diesem Buch hatte der Journalist Theodor Heuss geschrieben, der dreißig Jahre später, 1949, der erste Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland werden sollte.

Der Text orientiert sich an meinem Buch über die Regierung Sultan Abdülhamids II. und die deutsch-osmanischen Beziehungen, das 2014 in Istanbul erschienen ist. Die Bilder stammen aus meinem Archiv.

Das Bild oben zeigt den preisgekrönten Entwurf German Bestelmeyers für das Haus der Freundschaft / Dostluk Yurdu. Rechts am Rand des Bildes ist deutlich die Türbe Sultan Mahmuds II. zu erkennen, dort wurde im Februar 1918 sein Enke Sultan Abdülhamid II. beigesetzt.

Diese Aufnahme oben zeigt die feierliche Grundsteinlegung im April 1917. Ernst Jäckh aus dem Vorstand der Türkisch-Deutschen Vereinigung hält die Rede zur Grundsteinlegung; ihm gegenüber steht in der Mitte des Bildes der Kriegsminister und stellvertretende Großwesir Enver Pascha, zugleich auch einer der Ehrenvorsitzenden der Türkisch-Deutschen Vereinigung.

Die Aufnahme in oben zeigt die Beichtigung des Bauplatzes an der Divanyolu Caddesi durch Kaiser Wilhelm II. im Oktober 1917. Links neben dem Kaiser steht Ernst Jäckh und hält Vortrag über das Bauprojekt, links von Jäckh ist Enver Pascha zu erkennen. Text © Thomas Weiberg, Fotos aus dem Archiv von Thomas Weiberg.

Nur diese kleine Straße erinnert noch an das große Vorhaben. Ob die Anwohner wissen, welch ein großes Projekt hätte dort realisiert werden sollen?

Es steht im Text zwar aber hier nochmals die Erklärung: Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges und dem Zusammenbruch des Deutschen Reichs und der Osmanen wurden die Bauarbeiten eingestellt und das Projekt nie verwirklicht. Ein Straßenname in der Nähe (Dostluk Yurdu Sokağı) erinnert an das Bauprojekt.

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