Türkei-Bashing
Jetzt kommt die Zeit des verstärkten „Türkei-Bashings“. Ja, Bashing ist für die Türkeistämmigen in Deutschland ein saisonales Empfinden, dass sich zum Urlaubssaison hin wieder etwas abschwächt. Lasst euch das mal so erklären. Wenn es auf die Urlaubszeit zugeht, freuen sich die Türkeistämmigen auf Urlaub in der Türkei. Sonne, Strand und Meer, was möchte man mehr. Nicht nur die Touristen, auch die Einheimischen lassen am positiven Gesichtsausdruck nicht mangeln, sie strahlen alle. Die einen, weil sie in der Türkei sind, die anderen, weil die Touristen im Land sind. Ein herrliches Gefühl so viel strahlende Gesichter um sich zu haben.
Gab es die Türkei und die Türken vor Erdogan?
Entfernt man sich mal vom Urlaubsort und benutzt eine Straße mit gutem Fahrbelag, verbindet man das sofort damit „Toll, was die hier im Land alles geschaffen haben. Tolle Straßen, Brücken, Tunnels, Airports …“ Das alles hat es ja anscheinend früher nicht gegeben. Ich bin ja nun schon etwas älter und was soll ich sagen, das hat es auch früher gegeben. Die Türken gab es schon vor Erdogan und die Türkei mit all den Straßen, Tunnels und Bosporus Brücken, nun gut, die 3. Bosporus-Brücke existierte nicht, die gab es schon. Diese Prachtbauten, die zu Zeiten Erdogans erschaffen wurden, haben eines gemeinsam. Für alle hat der Staat hohe Auslastungsgarantien gegeben. Wird eine Straße, Brücke, Tunnel, Flughafen … weniger ausgelastet als vorgesehen, muss der Staat bzw. die türkischen Bürger über die Steuern, den Differenzbetrag ausgleichen. Das werden sie auch dann tun, wenn der Erdogan schon zwanzig Jahre weg ist.
Dich rechtfertigen kannst du auch mit drei Wörtern
Kommen wir zum Türkei-Bashing zurück. Ich wundere mich des Öfteren nicht schlecht, dass ein Türkeistämmiger gebrochen Deutsch spricht, aber Türkei-Bashing in seinem Wortschatz hat. Muss er auch haben, denn das eine Wort, nämlich „Bashing“ gleicht die fehlenden Deutschkenntnisse aus und dient zu seiner Verteidigung. Bestimmte Türken müssen noch zwei andere Wörter kennen, das tun sie aber, nämlich „Terrorist“ und „Gülenist“ bzw. die Abkürzung „FETÖ“. Somit steht die Verteidigung. Betreibst du, nach dem Empfinden des Lesers bzw. Zuhörers „Türkei-Bashing“, bist du ein Terrorist oder Gülenist. So einfach kann das Leben sein. Damit hat dein Gegenüber seine Seele ausgeschüttet und das nur mit einem kurzen Satz. Dieser Satz kann noch mit dem Wort „Türkenhasser“ garniert werden, mehr aber auch nicht.
Wenn die Sommermonate und die Urlaubszeit um sind, werden die Türkei-Urlauber mit vielen positiven Bildern zurück in den Alltagstrott nach Deutschland zurückkehren. Was glaubst du wie hoch die Chance ist, dass ich diesen Menschen erklären kann, wie dreckig es der Türkei und den dort lebenden Türken geht? Jede Kritik wird gleich als Türkei-Bashing abgetan werden.
Ist alles Gold, was in Deutschland glänzt?
Kommen wir auf Deutschland zurück. Wird ja im Rahmen des Whataboutism als Beispiel gebracht, wenn du Türkei-Kritik anbringst. „Ja aber in Deutschland ist ja noch viel schlimmer“ oder „Gibt es in Deutschland auch!“
Nehmen wir z.B. die Menschen die in Deutschland unter Armut leiden, Tendenz steigend. Stell dir vor du kommst aus dem deutschen Ausland nach Deutschland und verbringst deinen Sommerurlaub hier. Was siehst du? Die Sonne scheint, es ist heiß, die Menschen belagern die Straßen, lachen, grillen und sind gut drauf. Du besuchst den Berliner Zoo. Dir gefällt das, was du siehst. Was siehst du? Du siehst Wohlstand. „Ja die Deutschen, die haben es geschafft! Wohlstand und schau dir das viele Grün an. Die Deutschen wissen noch, was die Umwelt wert ist.“ Das ist so ein Standardsatz, den fast jeder Tourist aus der Türkei, der in Deutschland angekommen ist, ausspricht.
Was weiß schon dieser Tourist, dass tausende von Kindern nicht im Berliner Zoo waren, weil sich die Familien das nicht leisten können und wer geht schon mit gesenktem Kopf auf der Straße, so als wollte er zeigen: „Schau, ich leide, lebe unter der Armutsgrenze und (hochhaltend), hier das sind die unbezahlten Rechnungen“. Kein einziger tut das. Wie soll der Tourist z.B. erfahren, dass die deutschen Politiker sich jeden Tag neue Steuern ausdenken? Unmöglich!
Deshalb geht es der Türkei prächtig, aber auch Deutschland. Der geübte Blick der Touristen.
Seht ihr, deshalb geht es der Türkei so prächtig, wenn ihr da seid. Die Menschen verstellen sich nicht einmal. Sie geben sich so natürlich, wie sie sich auf der Straße immer geben. Du siehst den reichen Unternehmer der auf großem Fuße lebt. Du siehst aber nicht, dass er gerade die 300 Angestellte nach Hause geschickt und Konkurs angemeldet hat. Das was er hat, hat er und er wird aus diesem Leben als reicher Mann ausscheiden. Weißt du aber, dass er in diesem Jahr nicht fünf Mal ins Ausland reisen wird, wie sonst bei ihm üblich, sondern nur einmal. Auch er schränkt sich ein. Siehst du ihm das an? Siehst du der Türkei an, dass sie bald 500 Milliarden USD Devisenschulden hat? Siehst du den Brücken, Straßen, Tunnels und Airports an, dass der Steuerzahler dafür büßen muss, dass es sie gibt? Hast du z.B. während deines Urlaubs in der Türkei mal mit Menschen gesprochen, die vom Staatsdienst suspendiert wurden? Ich kenne einige. Staatsanwälte, Rechtsanwälte, die nicht einmal als Kellner einen Job finden. Sie sind gebrandmarkt als Terrorist oder Gülenist. Es gibt Fälle, wo sie dem Vorwurf freigesprochen werden, aber dennoch nirgendwo Arbeit finden und in den alten Job nicht mehr zurückdürfen. Auch die Familienmitglieder sind unerwünschte Personen. Man versucht sie zu meiden. Bist du diesen Leuten Mal begegnet? Natürlich nicht! Selbst wenn sie neben dir gesessen wären, hätten sie sich nicht offenbaren können, denn, dann würde ihnen schlimmeres widerfahren.
Hast du die politischen Häftlinge besucht? Wie geht es denen eigentlich?
Bist du in der Türkei Selahattin Demirtas, Osman Kavala, Eren Erdem u.a. begegnet? Eher nicht, ich denke die Zeit reichte nicht aus diese im Gefängnis zu besuchen.
Merkst du, wie gut es der Türkei gehen muss? Deshalb muss ich meine Finger auf die wunden Punkte drücken und die Menschen informieren damit die, die noch einigermaßen klarsehen und denken können, informiert sind.
Die Türkei ist seit 17 Jahren nicht mehr dir und mir. Die Türkei gehört Herrn Erdogan. Bevor du jetzt wütest, eine Frage: Was hat er dir persönlich genützt? Komme mir nicht wieder mit den Straßen und Brücken, denn das sind die schlechten Dinge, die er der Türkei angetan hat. Die Megabauten werden mit Steuergeldern oder in diesem Fall mit Darlehen bezahlt, die man sich für teure Zinsen im Ausland ausgeliehen hat.
Allen wünsche ich schöne Zeiten bis zum nächsten Urlaub. Bis die positiven Bilder wieder mal aufgefrischt werden und man wieder einmal sagen kann: „Der Türkei geht es prächtig und der Alleinherrscher ist wohlauf!“