Was passiert, wenn du dich in der Türkei verliebst?

Also, es gibt sicherlich viele Ausnahmen, aber ich erkläre euch den normalen Weg, wie es läuft, wenn ihr euch in der Türkei verliebt. In der Regel ist es so, dass die türkischen Paare sich erst nach der Heirat kennenlernen (dürfen). Das Umfeld lässt etwas anderes nicht zu. Geschlechtsverkehr vor der Ehe ist Tabu, auch wenn die Masse sich mittlerweile nicht daran hält, aber wir reden ja hier vom Normalfall. Die Kennenlernphase ist wie eine Dauerwerbesendung. Mann wie Frau zeigen ihre besten Seiten auf neutralem Boden, denn ein gemeinsames Zuhause hat man ja nicht. Hat einer der Parteien eine eigene Wohnung heißt es „Was sollen die Leute denken?“ Hat man die Kennenlernphase schön in die Länge gezogen so, dass auch der letzte weiß, dass da zwischen euch was läuft, kommen die Eltern, oder einer der Onkels und Tanten und sagt: „Wir sollten dem Kind einen Namen geben“. Wenn du zu naiv bist, antwortest du „Ich bin nicht schwanger!“. Gemeint ist, dass man diesem Verhältnis, welches wahrscheinlich mit der Eheschließung enden wird, einen Namen gibt. Klare Fronten schaffen, ist damit gemeint. Jetzt muss also die nächste Stufe gezündet werden. „Söz Kesmek“ nennt man das. Söz bedeutet eigentlich „Das Versprechen“, gemeint ist aber eigentlich ‚klare Fronten schaffen‘. Das ist aber noch nicht die Verlobung, sondern die Vorstufe davon. Bei dieser Zeremonie können sich somit die Eltern des Paares kennenlernen. Die ersten Ringe kommen jetzt schon ins Spiel, denn bei diesem Treffen bittet der Vater des Bräutigams  im Namen seines Sohnes um die Hand der zukünftigen Schwiegertochter. Immerhin gilt: mit der Heirat geht die Tochter zur Familie des Bräutigams über, sie heiratet nicht nur, sie gründet nicht nur eine eigene Familie, nein… sie wechselt die Familie.  Gibt es den Vater nicht mehr, so geht man die Familienhierarchie durch, wer als nächster dran ist.

Dieses Prozedere wird dadurch eingeleitet, dass die Zukünftige zuerst türkischen Kaffee zubereitet. Das ist schon das erste Signal und bedeutet: „Es geht los!“ Dabei versalzt sie den Kaffee Ihres Zukünftigen… quasi der Elchtest bevor es ernst wird. Während die Kaffees getrunken werden und der Zukünftige mit stoischem Gesichtsausdruck versucht, den Kaffee oder war es danach, weiß ich nicht mehr, kommt der Vater des Mannes mit dem Spruch, in dem der Prophet Mohammed drin vorkommt und bittet um die Hand der Tochter für seinen Sohn. In neunzig Prozent der Fälle, es ist nur eine Schätzung, geht die Sache glatt. Danach küsst so ziemlich jeder jeden, der im Raum ist. Schon geht es zu den Köstlichkeiten, die auf dem Tisch bereitstehen rüber. Essen und Trinken bis man platzt. Jetzt fällt es mir ein. Bevor man die Familie der Braut besucht, muss man noch einen Blumenstrauß und eine riesige Packung Schokolade von der Patisserie besorgen. Die Auswahl ist nicht einfach, denn nimmt man keinen großen Strauß, oder nimmt man die kleine Packung an Pralinen, könnte die Gegenseite Schlüsse daraus ziehen. Das tun sie aber auch, wenn alles größer als gewöhnlich ausfällt. „Schau dir die an, diese ungehobelten Typen, die sich hinter dem Strauß und der riesigen Packung Pralinen verstecken. Geld ist nicht alles, aber das wissen die doch nicht.“

An der Stelle muss ich bemerken, dass Geld so ziemlich alles ist. Wenn das stimmt, muss man noch die Frage klären, ob die Familie, kurdisch, alevitisch, sunnitisch, schiitisch und überhaupt Kafir (Gottlose, also die die dem Allah nicht glauben) ist. Ich glaube das wird mir alles zu viel. Wenn das Paar nach der Verlobung die Zeit bis zur Hochzeit übersteht heiraten sie. In der Regel für eine gewisse Zeit, aber das wissen sie zu dem Augenblick noch nicht.

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