Deutschland – Ein Witz

Nun gut, die Türkei nicht minder weniger, aber so ist nun mal die Überschrift gewählt, denn sonst hieße es wieder “Türkei-Bashing”.

Ich behaupte mal, dass ich auf Stichwort entweder eine Anekdote, oder einen Witz immer auf Lager habe. Wenn ich ein Adler wäre, würde ich sagen, dass der Körper des Adlers mein Wissen, mein Intellekt und meine Erfahrungen ausmachen. Der eine Flügel würde aus meinen Anekdoten bestehen und der andere aus den Witzen und Esprit.

Dass ich nicht mehr richtig fliegen kann und die Balance nicht mehr stimmt, dürfte jedem bekannt sein. In unserer heutigen Zeit, besonders in Deutschland, aber auch in der Türkei, sind die Menschen seltsamer drauf, als es früher der Fall war. Zu allem und jedem was man sagt, muss man noch etwas Kleingedrucktes dazu liefern, damit die Nebenwirkungen für mich nicht allzu stark ausfallen. So werde ich nicht falsch verstanden und bekomme Duldung, dass ich weiterexistieren darf. Humor war früher, heute ist es eher ein Tumor, sehr bösartig.

Was habe ich früher gerne Türkenwitze erzählt, oder überhaupt Witze. Es ist immer toll gewesen, die Reaktion der nativ Deutschen zu sehen, wenn ein Türkischstämmiger Türkenwitze erzählte. Sie wussten nicht wie sie reagieren sollten. Lachen, Schmunzeln oder nur mal „Lustig!“ finden und dieses mit der Bemerkung: “Das ist aber lustig!” auszudrücken?

Ephraim Kishon, Bester, ich muss dich wieder erwähnen. Was warst du für ein Glückspilz, dass du dir leisten konntest, deine Israelis und Juden durch den Kakao zu ziehen. Stelle dir vor, ich würde das mit den Türken und dem Islam machen? No go!

Bevor ich das Wort meinem Freund Thilo Schneider überlasse, der es treffend beschrieben hat, was in der heutigen Zeit so abgeht und wie verkehrt bzw. (abschwächend ausgedrückt) anders die Menschen auf einmal ticken, vorweg: „Ja, ich gebe es zu: Ich polarisiere gerne, manche zart besaiteten Seelen würden mich auch als “Troll” bezeichnen – schlicht, weil ich gerne mehrere Seiten einer Medaille sehe. Das ist heute nicht mehr so angesagt.“ sagt Thilo Schneider. Dem kann ich mich nur anschließen. Thilo wird mit einigen Beiträgen bei ichmeinsgut.de immer wieder mal mit dabei sein und seinen Senf abgeben. Freut Euch drauf!

Hier sein Beitrag: Deutschland – Ein Witz (Witzischkeit kennt sehr wohl Grenzen…) (im Original auf politticker.de)

“Irgendwo im Fränkischen. Wir sitzen gemütlich bei einer Weinprobe, die ersten Weine haben wir auch schon hinter uns („Volkacher Mauermörder 2013, lieblich“ und „Würzburger Klosterfrau extra-ordinär halbtrocken 2016“) und die Gespräche gehen hin und her, es wird langsam laut und fröhlich. Und während wir laut reden, hebe ich an: „Mir fällt da eine reizende kleine Geschichte ein. Ruft ein Chinese bei der Polizei an und sagt „Da liegt ein Gleis auf den Schienen…““. Plötzlich herrscht so etwas wie Totenstille in unserer kleinen Ecke am Tisch. „Du willst jetzt aber keinen Chinesenwitz erzählen, oder?“, sagt Annegret in das betretene Schweigen. „Ehm, doch, wollte ich eigentlich…“, antworte ich vorsichtig. „Du weißt schon, dass ein Witz über Chinesen Chinesen diskriminiert, oder?“, hakt Annegret nach. Ich bin verblüfft: „Warum? Wieso werden da Chinesen diskriminiert?“ „Weil sie das „L“ nicht aussprechen können. Man macht sich nicht über Menschen mit Sprachfehlern lustig!“, belehrt mich Annegret und lächelt dann versöhnlich: „…aber vielleicht weißt Du ja einen anderen Witz?“ Ich kenne jede Menge Witze und da fällt mir der ein: „Kommt eine Frau zum Arzt…“, und dann schließe ich den Mund wieder. Die Runde stöhnt auf. Jetzt ist es mucksmäuschenstill am Tisch. Das wäre fast der nächste diskriminierende Witz geworden. Das war knapp.

Ich überlege fieberhaft. Soll ich den mit dem Löwen und dem Zirkusdompteur erzählen? Aber da kommt die Frau am Schluss nicht gut weg… Alle Augen sind auf mich gerichtet. Ich kann die Gedanken meiner Mittrinker förmlich lesen: Schafft es der Typ, einen nicht diskriminierenden Witz zu erzählen? Ich greife zu einer Flasche „Alzenauer Vollpfosten untergärig furztrocken 2017“ und schenke mir einen ein. Also gut, vielleicht den: „Ein Israeli, ein Amerikaner, ein Deutscher und ein Türke sitzen im Zug…“ „Judenwitz“ brüllt einer von hinten. Eine andere ergänzt: „…und Türkenwitz“. Okay, dann den nicht! Wie wäre folgender Witz: „Ein Pfarrer nimmt einem Mann die Beichte ab…“, aber nein, nichts, was Glaubensgemeinschaften diskreditiert. Meine mittlerweile gut neun Zuhörer schütteln den Kopf und ich suche nach der versteckten Kamera. Aber da ist keine zu sehen.

„Okay, ich habe einen. Zollkontrolle. Der Zollbeamte kommt ans Fenster und fragt den Typen: „Haben Sie Alkohol oder Drog…“ „Falsch“, ruft ein älterer Herr mit schütterem Haar und randloser Brille, „erstens macht man keine Witze über Alkohol- oder Drogensüchtige, weil das eine Krankheit ist, zweitens gibt es keine Zollkontrollen mehr, drittens werde ich hier eine Verunglimpfung staatlicher Organe oder ihrer Beamten nicht dulden. Ich war selbst lange genug beim Zoll!“ Na gut, dann der nicht. Ich nehme einen Schluck „Randersackerer Höllenpfuhl, feucht, 2016“ und überlege: „Der Förster geht in den Wald und ruft die Tiere zusammen. Er sagt: „Nächste Woche kommt der Oberförster und da will ich nicht, dass der Wald wie Sau aussieht. Daher möchte ich, dass…““ Irgendeine Ulrike unterbricht mich jetzt: „Findest Du Witze über Wälder und ihre Bewohner lustig, während der Hambacher Forst dem Kohleabbau geopfert wird, ja?“ Nein, finde ich nicht. Obwohl es ja eigentlich scheißegal wäre, es ist ja nur ein verdammter Witz. Aber auch 2019! Nun gut, dann vielleicht den: „Kommt ein Mann in einer Tierhandlung und sieht da einen Eisbären stehen…“ Allgemeines Aufseufzen in der Runde. „Klimaleugner“ brummelt ein älterer Herr, Typ radelnder Religionslehrer, hörbar vor sich hin. Damit scheidet dann auch der andere Witz mit den Mäusen und dem Frosch aus, obwohl ich den wirklich gut finde.

Ich bin leicht angetrunken und langsam auch verzweifelt. Ostfriesenwitze diskriminieren Ostfriesen, Blondinenwitze Blondinen, Mantafahrerwitze Mantafahrer, Witze über Doppelnamenfrauen Doppelnamenfrauen. Jeder verdammte Witz diskriminiert jemanden. Ich greife zur „Sommerauer Flachzange, gerührt, nicht geschüttelt 2016“ und gieße mir ein viertel Glas ein. „Kommt Alice Weidel in eine Bar und trifft da Adolf Hitler…“, probiere ich es. „Soll das ein Witz über Lesben werden? Oder über Ausländer?“, kommt es scharf von Annegret und ich schrumple in mich zusammen. Außerdem bin ich langsam blau. Eigentlich ZU langsam blau und wehre mich gegen diesen Zustand mit Hilfe eines Glases „Lohrer Bioplörre aus garantiert zertifiziertem Rebendings 1620“ oder so und werfe einen Blick auf den Alkoholgehalt. „Wawas haben die SPD und ddieser Dreggswein gemainsam?“, will ich wissen und proste in die traurige Runde. Die 18 Augen um mich herum bleiben kalt. „Über benachteiligte Minderheiten macht man keine Witze“, zischt der Religionslehrer.

„Eien habsch noch!“, erkläre ich verzweifelt und hebe das Glas: „Horst Seehofer kommt mit dem Flugzeug von einer Auslandsreise am Berliner Flughafen an…“ Plötzlich brüllendes Gelächter. Dabei war ich noch gar nicht fertig mit dem Witz. „Der war gut“, lacht Ulrike und Annegret freut sich: „Das war ja ein echtes Brett. Na also, geht doch!“ Der Religionslehrer wischt sich die Brille, in die er Tränen gelacht hat und der pensionierte Zollbeamte kriegt sich nicht mehr ein: „…kommt in Berlin mit dem Fluhugzeug an… Saugeil. Zwei Witze in Einem. Und das in einem Satz. Knaller!“ wiederholt er mich und ich lasse das dann einfach so stehen und beschließe, noch einen drauf zu setzen. „Donald Trump is ein Aaarsch“ krähe ich trunken in den Tumult und jetzt liegen alle lachend am Boden. Ich bin rehabilitiert. Deutscher Humor 2019 – eine Klasse für sich!”

Damit Ihr wisst, wie er, ich meine Thilo Schneider aussieht, hier ein Foto von ihm. In Wirklichkeit ist er nicht schwarzweiß, sondern eine bunte Erscheinung.

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