Türkei: Strichweise heiter – „Wann haben Ihnen die Geschäfte in der Türkei den größten Spaß gemacht?“

Gute Frage? Das Capital Magazin Türkei befragte einige Unternehmer, in welchen Jahren sie den meisten Spaß an Geschäften in der Türkei hatten. Da nur bestimmte Zeitabschnitte genannt wurden, habe ich als Überschrift: „Strichweise heiter“ genommen.

Davon kann ich ein Lied singen, denn ich war von den Geschehnissen in der Türkei stark abhängig. Die deutschen und Schweizer Unternehmen sowie Marken,  die ich ins Land holte, waren immer nur dann bereit ins Land zu kommen, wenn die europäischen Medien, wenn auch nicht immer richtig, ‚Positiv‘ über die Türkei und die türkischen Wirtschaft berichteten. Dass die Einschätzung der Lage mit der europäischen Brille nicht immer den Realitäten entsprach, zeigt am besten die Tatsache, dass Erdogan in 2004 zum Europäer des Jahres gewählt wurde.

Für die Türkei waren die 90er Jahre sehr gut

Die Deutschen- und Schweizer-Unternehmen kamen bevorzugt in den 90er Jahren in die Türkei. Zu Zeiten von Ministerpräsident Özal zwischen 1983 und 1989 schien die Türkei näher nach Europa zu rücken und sich dem Westen zu öffnen. Diese Zeiten, als Özal bis 1993 Staatspräsident war, machten die Türkei den westlichen Unternehmen besser kommunizierbar. Der Trend hielt lange an. Ich hatte die Goldenen 90er und nochmal ein Strohfeuer von 2003 bis 2008. Die Weltfinanzkrise verschlechterte die Auftragslage. Dazu kam, dass Erdogan vom Demokratie-Zug ausstieg und Richtung Einmann-Regime marschierte. Bekanntlich scheuen die ausländischen Unternehmen die Diktaturen und agieren vorsichtig.

Wer nicht auf den Inlandsmarkt zielt, ist zumeist richtig in der Türkei

Mittlerweile geht fast nichts mehr, wobei sich alles im Kopf abspielt. Wenn man nicht vom Inlandsmarkt der Türkei abhängig war, konnte man fast immer lohnende Geschäfte machen über die Türkei bzw. mit Türkei als Produktionsstandort im Gepäck.

Die Türkische Lira wird schwächer und deine MitarbeiterInnen immer günstiger

Stelle Dir einmal vor, du bist in einem Billiglohnland und die MitarbeiterInnen kosten Dir, wegen dem Wertverlust der Türkischen Lira, auf Euro-Basis immer weniger. Streiken dürfen sie nicht. Wie sagte Erdogan der Prächtige vor zwei Jahren mal vor den Arbeitgebern: „Würden Eure MitarbeiterInnen streiken, würden wir denen die Köpfe abreißen!“ Sicher wollte er sagen, dass er die Streiks im Keime ersticken würde, aber das ist nun mal seine Ausdrucksweise.

Was sagen die Wirtschaftsbosse? Zu welchen Zeiten würden sie gerne zurückkehren?

Kommen wir auf die Wirtschaftsbosse. Der CEO der Sabanci Holding, Mehmet Göcmen sagte, dass er am liebsten in die Zeit  zwischen 2002 und 2008 zurückkehren würde. „Das waren die Jahre, wo die türkischen Geschäftsleute Achtung genossen und weltweit auf Händen getragen wurden. Es waren die Jahre, in denen  Investoren Schlange standen,  um in der Türkei zu investieren.“

Yüksel Mermer von der Mermerler Gruppe sagt ebenfalls, dass er lieber in die Zeit von 2002 bis 2008 zurückkehren würde. „Geschäfte und das Leben machten damals noch Spaß. Heute werden korrekte Steuerzahler bestraft bzw. säumige Zahler, bei Streichung deren Steuerschulden belohnt. Wir sind nicht liquide genug.“

Der CEO von Dünya Göz (Augenkliniken) Eray Kapicioglu, mit seiner Nähe zu Erdogan bekannt,  drückte sich im Capital-Türkei vorsichtiger aus. „In den 18 Jahren haben wir Aufs und Abs gehabt. In dieser Zeit haben wir als Gruppe Projekte realisiert, die wir uns nicht hätten erträumen können. Die Sonne kann nicht ewig scheinen. Es kann passieren, dass wir 2-3 Jahre kein Geld verdienen, aber wir sind die Kinder dieses Landes und haben in 18 Jahren vom Wachstum des Landes profitiert.“

Der CEO von Kütahya Porzellan Nafi Güral erwähnt die 90er Jahre, wie ich das auch tue. „[…] In den 58 Jahren meines Geschäftslebens waren die Jahre der Ära Özal, die Jahre die mir am meisten Spaß brachten. Auf einmal versuchte die Türkei im  Gleichschritt mit der Globalwirtschaft zu marschieren. Viele Barrieren, die uns im Außenhandel im Weg standen, wurden beseitigt. […]. 2001 war die Wirtschaft wieder ganz unten und ab 2002 ging es wieder aufwärts. “

Der Capital-Türkei Journalist hält fest, dass die meisten befragten die Zeit zwischen 1988 und 1993 besonders herausstellten.

Der Kipas Holding CEO Ahmet Öksüz unterstreicht, dass die besten Geschäfte von 1993 bis 1997 realisiert wurden. Vor allem hatte die Marge gestimmt. Damals wurde Geld verdient.

Der BSH (Bosch-Siemens-Haushaltsgeräte) CEO Gökhan Sigin sagt, dass die Jahre ab 2009 das größte Wachstum gebracht hätten. (Bitte berücksichtigen, dass BSH eines der größten Exporteure ist und eher von den Trends des Weltmarktes abhängt als vom Inlandshandel).

Mehmet T. Nane, der CEO von Pegasus Airline sagt, dass jede Phase ihre eigenen Reize hätte, die es zu bewältigen oder zu genießen galt. Ein Highlight in seiner Karriere wäre,  die Bestellung von 100 Airbusmaschinen in 2012. Auch die Auslieferung der ersten Airbus 321 neo könne er nicht vergessen.

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