Erdogan’s Krieg – Es gibt nichts zu gewinnen, es geht rein um Machterhalt

Schon seit Tagen kamen Nachrichten von toten türkischen Soldaten aus Libyen, aber vor allem aus Syrien. Sie wurden still, ja fast heimlich beerdigt, damit man nicht zusammenaddieren konnte, wie viele es insgesamt waren. Interessant war auch, dass man die für die Türkei kämpfenden Söldner nicht mitzählte, wenn sie starben. Im Normalfall wären türkische Soldaten an deren Stelle. “Ja, es waren aber Söldner!” heißt es, wenn man mit einer zu hohen Zahl türkischer Soldaten aufwartet. Der Führer der Türken sprach von „einigen“. Das sagt man nicht, wenn es zwei waren, die ums Leben kamen.

Gestern dann passierte es.

Die erste Meldung die mich von Freunden aus Hatay und Syrien ereilte, sprach von mindestens 100 toten Soldaten und ca. 150 Verletzten. Erinnert euch an die Terroranschläge vor dem Referendum, immer wenn eine Bombe hochging, gab es zuerst nur die Meldung über Schwerverletzte, obwohl fast jeder erahnen konnte, dass es auch Tote gegeben haben musste, kam deren Zahl, erst nachdem man sich entschied eine Zahl herauszugeben, viel später.

In Ankara laufen die Köpfe heiß!

Ankara muss sich überlegen, wie die Vergeltung darauf ausschauen soll? Wie soll der Gegenschlag aussehen, ohne die Russen zu ärgern, auch wenn sie für den Tod der Soldaten verantwortlich waren. Es sollen vorrangig russische Kampfflugzeuge gewesen sein, die schossen. Nun gut, wer will das wissen? Uns wird man schon das passende als die Wahrheit übermitteln. Die Erdogan Sender überschlagen sich mit Erfolgsmeldungen. In den letzten Stunden kann man den Eindruck gewinnen, als hätte die Türkei Syrien eingenommen. Was passiert, wenn Syrien sich ihrer Toten recht? Eine einschlagende Rakete auf türkischem Boden und was folgen würde… Nein kein Krieg, denn beim Krieg geht es um etwas. Hier gibt es nicht zu gewinnen, aber die Türkei könnte, was mir auf Anhieb einfällt, das Tourismusjahr 2020 abschreiben.

Auf der anderen Seite muss Ankara überlegen, wie die Geschehnisse dem Volk zu verkaufen sind. In die Opferrolle ist der Erdogan schon längst geschlüpft.

Erdogan ist derjenige, der die Region noch instabiler machte

Was suchte die Türkei in Syrien? Wie würden die Nachrichten lauten, wenn die türkische Armee sich irgendwann mal aus Syrien zurückgezogen hätte? Was hätte man als Erfolg vorweisen können? Nichts! Ein großes Nichts!

Es klingt bitter, wenn man über Tote berichten muss, aber so ist der Krieg nun mal. Das Risiko, dass man nicht zurückkommt besteht immer, umso schmerzvoller, wenn es um nichts geht.

Viele Söldner auf der Seite der Türkei, die als Tote ungern mitgezählt werden.

Erdogan wusste von Anfang an, dass er Krieg spielen musste, um das Volk von der Misere der Wirtschaft abzulenken. Ich hatte schon früher geschrieben, dass Erdogan ab jetzt immer größere Krisen erzeugen muss, damit er an der Macht bleibt. Kein Diktator geht, ohne das Blut geflossen ist. Gestern ist entschieden worden, dass 2020 ein noch schlechteres Jahr für die Türkei werden wird als 2019 und 2018.

Gerade kommt die Meldung rein, dass die Türkei im letzten Quartal um 6% gewachsen ist.

Ohne die Toten hätte ich mir dafür ein Schmunzeln abgewinnen können, aber so blieb es bei einem Kopfschütteln. Dazu bringe ich immer das Beispiel mit der toll aussehenden Freundin mit Modellfigur, die sagt, sie hätte wieder zugenommen. Sofort stellt man die Frage: „Wo denn?“ Genauso ist das mit dem Wirtschaftswachstum der Türkei. „Wo ist denn die Wirtschaft gewachsen?“ Die Antwort ist: „Auf dem Papier!“ bei steigender Arbeitslosigkeit und Armut an allen Fronten.

Die Grenzen sollen geöffnet worden sein.

Als ich die Meldung hörte dachte ich, dass die Türkei aus humanitären Gründen die türkisch-syrische Grenze geöffnet hätte. Nein, die Flüchtlinge dürfen die Türkei zu Land und zu Wasser Richtung Europa verlassen, heißt es. Nun gut, die vormaligen Flüchtlinge sind nicht dem Erdogan anzukreiden, aber was ab jetzt passiert, dafür zeichnet sich der Erdogan verantwortlich.

Es sind die ärmsten der Armen

Die Flüchtlinge früherer Jahre hatten noch Zeit zu überlegen, ob sie Syrien verlassen sollten oder nicht, aber die die jetzt kommen, hatten nichts zu überlegen, sie mussten weg. Sie sind die ärmsten der Armen. Sie besitzen nichts als ihr nacktes Leben. Dennoch müssen diese Menschen am Leben gehalten werden, die humanitäre Hilfe muss anrollen. Was danach passiert bzw. passieren kann und das zu Zeiten des Coronavirus, müssen wir abwarten. Jetzt heißt es erst einmal HANDELN!

Was in der Türkei jetzt passieren könnte?

Solange das Volk nicht auf die Straße geht, wird sich nichts ändern. Eine Normalisierung der Lage ist nicht möglich, denn dieses bedeutet für Erdogan Machtverlust. Willst du die Zahnschmerzen ertragen, muss du mit dem Hammer auf deinen Daumen schlagen. So konzentrierst du dich auf deinen Daumen und vergisst die Zahnschmerzen. Mit dieser Taktik muss Erdogan agieren. Das Land wird verwaltet und schon seit Jahren nicht mehr regiert.

In dieser Phase werden sich viele verbal die Köpfe schlagen und sich in Rage reden, Recht haben wollen. Egal wer Recht hat und wer nicht, dieser Mann wird hält viel Schlimmeres für uns parat. Im Land hat er seine Polizei und den harten Kern bewaffneter Anhänger, die als letzte, bevor er geht, zum Einsatz kommen werden. Es sei denn, das Volk leidet still und leise und geht nicht auf die Straße.  

Herzliches Beileid den Angehörigen der Soldaten

Sie sollten wissen, dass ihre Söhne nicht für die Türkei, sondern für die Launen eines Mannes gestorben sind. An dieser Wahrheit führt leider kein Weg vorbei.

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