Wie das Lachen zum Geldersatz wurde
In diesem Fall möchte ich es so machen, wie die Regierung das immer macht. Ich werde die Türkei von heute, mit der Türkei von gestern vergleichen. Das ist in der Türkei gang und gäbe. Während man die Zahlen von irgendetwas heute, mit den Zahlen eines bestimmten Monats von vor drei Jahren vergleicht, zeigt man eine positive Entwicklung. Aussagekraft: Null ! Klingt aber positiv.
Ich beschloss damals, 2004, für immer in der Türkei zu leben und zu arbeiten. Den eigentlichen Grund dafür habe ich in meinem Buch beschrieben. Auch, wenn ich nicht einer war, der jemals vorhatte, in der Türkei zu leben, so freute ich mich darauf. Istanbul, der Bosporus sind Grund genug, aber hinzu kam, dass ich dort ein Publikum vorfand, das die Geschichtenerzähler wie mich liebte. Schon nach kurzer Zeit stellte ich aber fest, dass der Türke nicht mehr der war, wie ich ihn von früher in Erinnerung hatte. Die Menschen waren viel ernster drauf und waren mehr auf sich fixiert. Der Lebens-, ja der Überlebenskampf überwog. Für den einfachen Mann, der mit einem Mindestlohn die ganze Familie durchbringen musste, die mindestens aus vier Personen bestand, war es nicht einfach, ja eher schier unmöglich.
Auf einmal stach ich mit meinem Lachen und der Lebensfreude, die ich bei meinen Erzählungen ausstrahle, heraus. Erst später bemerkte ich, dass ich für viele zum Lebenselixier wurde. Auch holten sie mir Rat, wenn es um private Angelegenheiten ging. Eigentlich hätte ich das niemals gemerkt, wenn sie es mir nicht gesagt hätten, dass das so ist.
Ohne überheblich klingen zu wollen, das können alle bestätigen, die mich kennen, bin ich trotz aller Schwierigkeiten, die ich zu bewältigen habe, ein lebensbejahender Mensch. Schon nach kurzer Zeit habe ich Kontakt zu allen in meinem Umfeld und erzähle auf Teufel komm raus. Nicht, dass ich mich dafür anstrengen würde, ich merke es nicht einmal.
Meine dankbaren Zuhörer in der Türkei waren Angestellte von Gastronomiebetrieben, die ich aufsuchte, wo ich mein Kaffee trank, Zeit vertrieb, mein Essen zu mir nahm. Zu den Zuhörern zählten aber auch Angestellte in Büros und Unternehmen, mit denen ich zu tun hatte.
Die Gastrobetriebe waren für mich ganz besonders, zumal sie mir offen sagten, dass ich etwas Besonderes für sie war. Ich wäre immer gut gelaunt, würde sie zum Lachen bringen und für einen schönen Tag und angenehmes Arbeiten sorgen. Schon nach knapp sechs Monaten Türkei ging es los, dass sie im Teegarten, in einigen Bistro und Restaurants, die auf meiner täglichen Route, die ich zu Fuß bewältigte, zwischen Arbeit und Büro lagen, kein Geld mehr von mir annahmen.
Ich war wie der Mann mit der eine Milliarde Dollar Banknote. Er wollte immer bezahlen, nur konnte ihm niemand Restgeld geben. Ich durfte nicht einmal daran denken, etwas bezahlen zu wollen. Oft wollte ich die Gunst der Stunde ausnutzen, wenn mal der Chef nicht da war und bezahlen. Schon sagte der Kellner: „Ich darf von Ihnen nichts annehmen, hat der Chef gesagt, sonst würde ich gefeuert werden!“ Oft musste ich heimlich Routen nehmen, wo es noch Lokale gab, die Geld von mir nahmen. Noch letzte Woche rief der Besitzer vom Teegarten in Moda an und sagte: „Wann kommst Du, der Laden ist Deiner!“
Wer jetzt denkt, das ist eine ganz tolle Situation, der täuscht sich. Ich mit meinem Naturell, konnte nicht einmal von meiner Sekretärin, wenn ich denn mal eine hatte, bedienen lassen. Eher habe ich ihr Kaffee gebracht. Die Menschen sollten nicht denken, ich würde sie ausnutzen.
Soo eine lange Einleitung, eigentlich möchte ich nur sagen, dass die Menschen in der Türkei, das normale Volk, in der zweiten Hälfte der Ära Erdogan nichts mehr zu lachen haben und dass so einer wie ich, der lachend daherkommt und erzählt, die Menschen zum Lachen bringt, auf einmal zu einem geliebten Sonderling emporsteigt. Die Menschen haben, egal zu welchen Zeiten, immer ihre Sorgen gehabt, nur ihr Lachen hatten sie niemals abgelegt. Ob das Lachen der Menschen in der Türkei jemals wieder zurückkommen wird?