Die Türkei muss auf eine andere Umlaufbahn

Die COVID-19 Phase in der Türkei wurde in der Türkei wirtschaftlich anders gehandhabt als anderswo. Vordergründig war für die Politik, nicht das Überleben der Unternehmen, sondern das Bestreben, die Wirtschaft lebendig zu halten. Die Konsumfreude, seit zwei-drei Jahren auf einer Talfahrt, sollte ausgerechnet während des Lockdowns, wieder hochkommen.
Kredite für das Volk und die Unternehmen
Das Problem wurde in der Form angegangen, dass man immer mehr Kredite vergab. Ziemlich leichtfertig, ohne zu überlegen, wie diese zurückfließen sollten, wo doch alles still stand und die Arbeitslosigkeit, laut inoffiziellen Zahlen der Gewerkschaften (DISK) auf 39,5% kletterte (Offiziell sanken die Arbeitslosenzahlen. Kein Witz!). Die Staatskasse weist ein riesigen Leck auf und auch die Situation bei den Devisen ist nicht berauschend. Es stellt sich mittlerweile die Frage, was die Politik noch zum Positiven hinbewegen kann.
Die Reserven sind versiebt und parallel schrumpft die Wirtschaft
Die Politik müsste jetzt drauf aus sein, Entscheidungen zu treffen, die dem Ausland Vertrauen einflößen. Denn nur so kann man evtl. zum frischen Kapital gelangen. Derzeit gewähren die Staatsbanken lediglich Kredite, deren Zinsen unter der Inflationsrate liegen. Das soll eine Umkehr bringen? Eher bewirkt es das Gegenteil, denn laut den Rating Agenturen ist die Situation der Banken nicht besonders Hoffnungsvoll.
Im ersten Halbjahr zogen die Ausländer 11,5 Milliarden USD ab und die Privatpersonen, wie -Unternehmen hoben 7,5 Milliarden USD von den Banken ab.
Börse Istanbul meldet parallel, dass der Anteil des ausländischen Kapitals derzeit bei 50% liegt. Bisher sank diese Quote nie unter 60%.
Swap sei Dank!
Lässt man die 39 Milliarden USD an Goldreserven weg, so sind die 51 Milliarden USD in der Kasse der Zentralbank lediglich den Swap-Abkommen mit Katar und China zu verdanken.
Das Wirtschaftswachstum
Im 1. Quartal wuchs die Wirtschaft aus unerklärlichen Gründen um 4,5%. Im April folgte ein Absturz des produzierenden Gewerbes um 31%. Im 2. Quartal gehen die Analysten von einer Schrumpfung der Wirtschaft um 20% aus. Die Regierung beabsichtigt im zweiten Halbjahr ein Wachstum um 8%. Worauf die Hoffnung basiert, ist geheim. Die IWF und Moody’s rechnen mit einem Minus von 5% zum Jahresende. Beide betonen, dass die Politik zu verwässert agiert und eine klare Linie nicht erkennbar ist und folglich die Türkei mit mehreren Unbekannten unterwegs ist. Eine weitere Herabstufung der Ratings wäre nicht mehr umkehrbar.
Die Türkei muss auf eine andere Umlaufbahn
Wäre die Türkei ein Planet, würde ich dazu raten, eine andere Umlaufbahn zu nehmen. Die Bevölkerung soll laut der Zentralbank 600 Milliarden TL Schulden haben. Der Staat kann die Schulden nur noch in vierfacher Zeit drehen. 66% der Kredite, die vergeben wurden, kamen von den staatlichen Banken. Fitch Ratings schätz die Summe der nicht mehr rückführbaren Kredite auf 200 Milliarden TL.
Das Haushaltsdefizit betrug, laut der Zentralbank, im Mai 146 Milliarden TL. Das ist das Dreifache des Vergleichsmonats vom letzten Jahr. Wenn man nicht auf die Harte Reserven der Zentralbank zurückgegriffen hätte, wäre dieser Betrag sogar um 100 Milliarden TL höher gewesen.
Tourismuseinnahmen fallen komplett aus
Bedenkt man, dass die Türkei fast immer mehr importiert als sie exportiert, so waren die Tourismuseinnahmen, die einzigen Deviseneinnahmen des Staates, die dieses Jahr komplett ausfallen werden. Dennoch, der Staat muss derzeit eine Politikwende einschlagen und darauf aus sein, wie auch oben erwähnt, Vertrauen einzuflößen, damit neue Finanzmittel aus dem Ausland fließen. Derzeit herrscht eine Situation, wo die Geber lieber weglaufen, als sich an den Verhandlungstisch setzen.
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