Arm, Reich, Arm, Reich und das mit einem Persilschein

Jedes Jahr werden die größten Steuerzahler der Türkei aufgelistet. Eine Liste zum Staunen. Forbes Türkei weist parallel lauter USD Milliardäre aus der Türkei aus. Einige der Milliardäre tauchen, wie durch ein Wunder, nicht in der o.g. Liste der größten Steuerzahler auf. Das muss insofern nicht verwundern, weil der neuntreichste, mit einem Vermögen von 2,7 Milliarden USD, gerade mal 7 Mio. USD Steuern bezahlt. Dennoch gebührt ihm aller Ehre, denn er scheint am ehrlichsten zu sein. Fraglich ist auch, warum die Vermögen in USD gegeben werden, wo doch der große Meister dieses verpönt. Wahrscheinlich, weil man mit türkischer Lira nicht reicht werden kann. Die Gelder liegen irgendwo in Euro oder USD.
Wer nicht auffällt, kann die Türkei nur lieben.
Ich kenne einen dieser, der Öffentlichkeit namentlich nicht bekannten, persönlich und verehre ihn sehr. Ich brachte ein deutsches Unternehmen mit einer Firma von ihm zusammen. Der Mann lebt mit Deutschland Hand in Hand. Schon sein Vater und Opa vertraten deutsche Unternehmen in der Türkei und brachten es zum großen Reichtum. Das war aber nicht immer so, denn nach dem großen Geld, waren sie mal richtig arm.
Zuerst wohlhabend und dann wieder arm.
Schon um die Jahrhundertwende, gemeint ist 1900, war die Familie mit deutschen Vertretungen in der Türkei Top. Es sollte aber anders kommen. Der Vater von unserem Milliardär sah in Deutschland Unheil hochkommen und beschloss, nicht mit den Nationalsozialisten zu kooperieren. Eine nach dem anderen gab er seine Vertretungen zurück. Da die Familie dachte, dass die Nationalsozialisten nicht lange bleiben würden, entließen sie die Belegschaften der Unternehmen nicht und bezahlten diese aus den Rücklagen und ihrem Vermögen, bis diese dann am Ende aufgebraucht waren und nichts mehr ging.

Nein, die Vertretung von VW hat er nicht, aber so ein Auto fährt er.
Alles von vorne und das mit einem Persilschein
Erst nach 1945 legten sie wieder los. Unser Milliardär hatte just in dem Jahr sein Ingenieursdiplom erhalten und war einer der ersten Absolventen der Technischen Hochschule von Istanbul. Er sprach perfekt Deutsch, obwohl er ein französisches Gymnasium in Istanbul abschloss und schulisch auch sonst mit Deutsch nicht in Berührung kam. Die Familie halt, sie waren alle stark Deutschaffin. Er bewarb sich um die Vertretungen deutscher Unternehmen, die durch den Krieg zum Teil noch größer und stärker waren als vorher. Die Unternehmen konnten aber nicht selbst entscheiden. Zum einen lagen sehr viele Bewerbungen aus der Türkei vor und zum anderen, entschieden die Amerikaner mit, wer diese Vertretungen bekommen durfte. Die türkischen Unternehmer wurden darauf durchleuchtet, ob sie jemals mit den Nationalsozialisten zu tun gehabt hatten. Bei unserem Herrn Ingenieur stellten sie fest, dass seine Familie sogar um 1933 alle Verträge mit deutschen Unternehmen, eben wegen den Nationalsozialisten, gekündigt hatte. Somit bekam die Familie einen Persilschein. Sie wurden viel wohlhabender als jemals zuvor. Er fährt bescheiden wie er ist, einen VW Golf, aber mit Chauffeur, denn er ist mittlerweile fast neunzig Jahre alt. Er trägt alle guten Tugenden in sich, die man sonst den Deutschen zurechnet. “Nicht auffallen” ist seine Maxime und sehr außergewöhnlich für einen Türken, aber gerade das ist ziemlich gesund in der Türkei des Herrn Erdogans.