Istanbul: Der Taschendieb erleichterte den alten Mann um seine Rente und dann …

Der Rentner hatte gerade seine Rente abgehoben. Er war schnieke unterwegs. Anzug, Krawatte, alte Schule halt. Im Straßenbild gab er einen wohlhabenden Mann ab, die er nicht war. Er wollte mit dem Bus, von der asiatischen Seite von Istanbul, zur europäischen fahren. Die Strecke führt über die 1. Bosporus-Brücke, die er immer noch so nannte, obwohl es mittlerweile nach dem Pseudo-Putsch-Datum, 15. Juli benannt ist. Er stellte sich in die Schlange der Wartenden. Da kam auch schon der Bus. In diesem Moment passierte es, dass der Taschendieb, der direkt hinter ihm stand, ihn um seine Rente erleichterte, die er leichtfertig in der äußeren Sakkotasche verstaut hatte. Er merkte nichts und stieg, mit dem Taschendieb, der sicher noch andere erleichtern wollte, in den Bus ein. Beim Fahrer wollte er ein Ticket kaufen. „Vier Lira macht das!“ sagte der Fahrer. Unser Rentner griff in die Tasche rein und dann panisch in alle Anzugtaschen. Das Geld war weg. Er wurde knallrot und atmete schwer. Der Fahrer sagte: „Lieber Herr, Sie sehen zwar wie eine Million aus, aber in der Tasche haben Sie keinen einzigen Kurusch (Cent), das haben wir gern!“ In dem Moment hatte der Taschendieb Mitleid mit ihm und sagte: „Mein Herr, das kann mal passieren, lassen Sie mich Ihr Ticket bezahlen.“ Die Reisenden im Bus waren geblendet von dieser Person voller Güte. „Allah möge Sie beschützen und die Menschen Ihres Schlages vermehren.“ Auch die anderen Fahrgäste waren begeistert von dem Mann, der ein Beweis der Nächstenliebe erbracht hatte. Man konnte hören, wie alle sagten „Allah möge Sie beschützen. Wollen wir hoffen, dass es mehr von Ihrer Sorte im Land gibt.“
Keine Angst, die Zahl derer steigt in der Türkei. Dem Volk mit dem Baggerschaufel wegnehmen, mit der Pinzette tropfenweise zurückgeben und dafür noch Gebete und Dank ernten. Das ist die Türkei von heute.