Scherzartikelladen – Jede Farbe hätte ich nehmen können, nur kein rot

In meiner Kindheit gab es in Deutschland Scherzartikelläden. In Köln hatten wir sogar zwei davon, also konnten sie gut existieren. Auch in den großen Kaufhäusern konnte man in bestimmten Abteilungen Scherzartikel kaufen. Mag sein, dass dieses vielen fremd vorkommt, aber wer damit befasst war, wie ich es war, wird es wissen.

Es war immer ein Spaß, verrückte Artikel Jahr für Jahr zu kaufen und diese in den Sommerferien, wenn wir in der Türkei waren, dort auszuprobieren.

Egal welches Teil ich einsetzte, musste ich froh sein, dass die türkischen Mütter, nicht so gut im Latschenschmeißen waren. Auch meine Mutter nicht. Zuerst das linke Paar, weil sie Rechtshänder war, das geht dann einfacher danach zu greifen, aber wenn es ein Fehlwurf war, dann das rechte. Schon stand sie mit nackigen Füßen da. Oft kam meine Tante zur Hilfe. So ist das, wenn die Frauen zusammenhalten, halten sie zusammen. Auch sie hatte zwei Würfe frei, die auch beide daneben gingen. Je weiter der Wurf, umso mehr Ärger gab es. Denn sie mussten ja die Latschen wieder einsammeln.

Ich bekam an einem Tag gleich zweimal Ärger. Zwei der am Tisch sitzenden Personen hatten jeweils einen präparierten Löffel, wobei man einen leichten Stromschlag bekam, wenn man diese berührte. Nur, wenn man damit nicht rechnet, ist das so, als ginge ein Blitz durch einem durch. Meine Tante griff als erste  danach und schmiss ihren Löffel unkontrolliert in die Suppe der anderen Tante. Die Suppe spritze, die andere Tante erschrak, versuchte der auslaufenden heißen Suppe wegzulaufen, stützte sich am Tisch und versehentlich am Rand des anderen Suppentellers und wir hatten mehr Suppe in Fleckform an der Kleidung als in den Tellern. „Ahmet, wenn ich dich zu fassen kriege…!“ Während ich in den Garten rannte, verschossen die Tante und meine Mutter ihre Munition und mussten die Latschen wieder einsammeln. Der Tisch musste neu gedeckt werden. Gerade wollte ich „Vorsicht!“ rufen, da war es schon passiert. Es gab ja noch einen Löffel, den diesmal meine Cousine anfasste. Während sie heulte und das sollte an diesem Tag nicht das letzte Mal sein, wurde ich in ein Zimmer im Erdgeschoss des zweistöckigen Hauses eingesperrt. Pädagogik 1.0 hatte die Türkei schon damals hinter sich gelassen.

Während ich im Zimmer rumhockte und rausschaute, klopften meine Mutter und meine Tante an der Toilettentür. „Mach doch bitte auf, was ist den los?“ Durch das Schlüsselloch meiner Gefängniszelle gegenüber zum WC, konnte ich sehen, wie die beiden Frauen reingingen. Gerade kamen sie wieder raus, als ich meine Tante sagen hörte: „Ahmet, jetzt kannst du was erleben!“ Wieder war Gefahr im Verzug, ohne zu begreifen, was ich getan haben könnte. Ich sprang aus dem Fenster raus in den Garten und kam einige Stunden nicht mehr zurück. Ich hatte doch lediglich rote Farbe in die Toilettenspüle getan, damit die Leute glauben, es wäre Blut. Erst Jahre später erfuhr ich, dass ich hätte jede Farbe nehmen können, aber nicht Rot. Meine Cousine war erst gerade 15 geworden.

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