Von Kanten und Ecken – Meine Kolumne aus dem TAGESSPIEGEL

Ahmet Refii Dener über einige Eigenarten türkischer Kultur.
Heute erzähle ich mal wieder von Dingen, die im Leben jedes Türken vorkommen. Einer der Augenblicke, die in den meisten Fällen zu einem Streit führen, ist zum Beispiel: „Was guckst du so blöd?!“ Das kann an jeder Haltestelle oder auch in einem Bus passieren. Dann ist es ratsam, den Aufzugblick aufzusetzen und auf den Boden zu starren.
„Warum musst du die Zahnpastatube immer in der Mitte ausdrücken!“ schimpfen türkische Ehefrauen und vergessen, wie glücklich sie sein müssten, einen Mann gefunden zu haben, der sich überhaupt die Zähne putzt.
„Erlebe meinen Tod, wenn du es nicht tust!“ Ich weiß, das klingt makaber, aber dieser Satz soll dem Gegenüber verdeutlichen, dass er das Verlangte tun soll.
Typisch ist auch, den Aufzugknopf mehrmals hintereinander zu drücken – als ob der Aufzug dann schneller kommt.
Die Erwartungshaltung bei den Älteren – Mann wie Frau – ist groß, dass man ihnen als Ehrbekundung die Hand küsst. Eine echte Qual, die ich immer geschickt umschifft habe. Noch schlimmer sind die, die beim Küssen die Höhenregulierung einschalten. Sie ziehen die gefasste Hand so weit runter, dass man noch einen Knicks machen muss.
Gerade habe ich die Kopfhörer auf. Schubst mich einer und fragt: „Hörst du Musik?“ „Nee, ich warte auf die Landeerlaubnis vom Tower. Ich bin Pilot!“
Hat man Besuch, so müssen die Besucher auf die Toilette. Sie fragen nicht „Wo ist die Toilette?“, sondern höflich und damit es belanglos klingt: „Habt Ihr eine Toilette?“ So, als ob es weiter heißen müsste: „Wenn nicht, nicht schlimm, schließlich ist es kein dringendes Bedürfnis.“
Eigentlich müsste Pizza eine türkische Erfindung sein. Die Pizza wird rund hergestellt, aber in Dreieckform geschnitten. Die Wohnungen werden in der Türkei quadratisch oder rechteckig gebaut, heißen aber auf Türkisch „Daire“ und das wiederum bedeutet: der Kreis!?
Dialog auf Türkisch: „Was machst du so?“ „Was soll ich machen, was machst du?“ Hinterher weiß keiner, was der andere macht. Das Thema Diskriminierung hatten wir hier schon. Im Türkischen gibt es den Spruch, wenn etwas schwer ist: „Das wiegt ja wie ein Ungläubiger!“
Putzt eine Türkin die Fenster blitzblank, sagt sie: „Die sind wie Spiegel geworden!“ Putzt sie den Spiegel sauber, heißt es: „Die sind blitzblank wie Fenster!“
Wenn eine Mutter ihr Kind auf dem Markt verliert und das heulende Kind wiederfindet, ist das Erste: dem Kind eine Ohrfeige geben. Weil es weg war.
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