Nicht immer führten die türkischen Produkte das Siegel “Made in Turkey”

Mächtig unter Druck.

Er war einer der ersten, die sich trauten „Made in Turkey“ auf die selbst produzierten Exportprodukte sichtbar zu drucken, zumal er die immer für Qualität stand. Die Marken Prada, Miu Miu, Burberry, Massimo Dutti u.a. kauften bei ihm ein, oder ließen bei ihm produzieren.

Die Rede ist von Hakkı Matraş, der mit seiner Marke MATRAS die türkischen Leder Produkte weltbekannt machte. Jetzt kommt die Nachricht, dass er aufgegeben hat. Als er vor einiger Zeit seine Läden geschlossen hatte, nahm man an, er würde sich neu aufstellen. Jetzt hat er auch seine Fabrik geschlossen. Somit ist nach einem halben Jahrhundert Schluss mit der Marke MATRAS.

Trotz der Pandemie ist zu erfahren, dass es ein gesunder Rückzug aus dem Geschäftsleben war. Hakki Matras war bis 2017 an der Spitze des hocherfolgreichen Unternehmens. In dem Jahr erkrankte er und parallel ging es dem Unternehmen immer schlechter. Ein Erbstreit innerhalb der Familie und Finanzierungsprobleme beschleunigten den Abwärtstrend.

MADE IN TURKEY hieß früher anders

Ich möchte den jüngeren, die außer Erdogan sonst kein Türkei vorher gekannt haben, einiges darüber erzählen, wie sich „Made in Turkey“ entwickelte. Schon früh entschied sich der Staat, dass alle Produkte aus türkischer Herstellung ein „Made in Turkey“ Siegel an irgendeiner sichtbaren Stelle zu führen hatten. Schön und gut, zu den Anfängen trauten sich die Produzenten nicht, zumal sie nicht wussten, oder sicher waren, ob ihre Produkte den europäischen Standards entsprachen. Sie wollten sich und ihr Land blamieren. Auch war es früher ein Argument, das Produkt nicht zu kaufen. Durch zähe Verhandlungen dann, erreichten die Produzenten, dass sich der Staat mit „T.M.“ zufriedengab. Sollten die Anfangsbuchstaben von „Türk Malı“ bzw. „Turkish Made“ sein, aber das wussten nur die Türken, sonst niemand. So fühlten sich die türkischen Exporteure sicherer und versteckten sich mit ihrer mäßigen Qualität hinter diesen zwei Buchstaben. Naheliegender wäre gewesen, wenn man „Made in Turkey“ mit den Anfangsbuchstaben MIT abgekürzt hätte, aber das steht wiederum für den türkischen Geheimdienst.

Made in Turkey wird mehrheitlich auf Made in Germany Maschinen produziert

Eigentlich erstaunlich, dass die Qualität der Produkte so schlecht war, zumal die Maschinen schon immer mehrheitlich das Qualitätssiegel „Made in Germany“ trugen. Wahrscheinlich waren die Rohstoffe und/oder die Verarbeitung schlecht. Damals war man, wie heute oftmals auch, darauf aus, günstig zu produzieren, soll heißen, von minderer Qualität, dass man über den günstigen Preis verkaufen konnte.

Mit der Zeit dann kamen ausländische Unternehmen in die Türkei und produzierten vor Ort. Sie wollten lediglich die sehr günstige türkische Arbeitskraft ausnutzen, dafür aber Qualität für die Weltmärkte produzieren. Klar, dass auch zu guten Zeiten der enorm konsumstarke Markt der Türkei ebenfalls bedient wurde, auch wenn die Margen im Inland stets gering waren.

Made in Turkey nimmt Fahrt auf

Seit Turgut Özal’s Zeiten hat die türkische Exportwirtschaft Fahrt aufgenommen. Die Türkei hat bewiesen, dass sie höchste Qualitäten herstellen kann, wenn man das denn zum Ziel machte. Die Qualitätsstandards stiegen mit der Nachfrage aus dem Ausland, denn diese verlangten höchste Qualität. Dennoch, bei den meisten inländischen Produzenten gab es einen Gendefekt, der diese daran hinderte, Qualität für den Inlandsmarkt zu produzieren. Fürs Ausland ja, aber nicht für das Inland.

Wenn ich z. B. Textilposten aus der Türkei für Deutschland in Augenschein nahm, hieß es: „Diese kommen für Sie  in Frage, diese aber nicht. Die sind für die Türkei produziert.“ Schade, dass das eigene Volk, zum Teil heute noch, mit minderer Qualität versorgt bzw. bestraft wird.

Die türkischen Exporteure haben heute keine Scheu mehr „Made in Turkey“ auf ihre Produkte zu drucken, denn sie stehen für Qualität und dennoch für günstigen Preis. Auch sind sie sehr flexibel, wenn es um die Verwirklichung von Kundenwünschen geht. Um den Auftrag zu bekommen, stellen sie alles auf den Kopf und machen so ziemlich alles in kürzester Zeit möglich.

Das Land steht in der Startmaschine, aber der Starter findet den Knopf nicht

Ich verlagerte z.B. den Textileinkauf einer großen Schweizer Kaufhauskette größtenteils von China in die Türkei, damit sie kurzfristiger und mit weniger Risiko arbeiten konnten. Das funktioniert bis heute perfekt. Denn, man muss nicht Monate vorher ordern und bezahlen, wie in China, schon alleine wegen der Entfernung nötig. Kurzfristigkeit und Flexibilität sind die Stärken der türkischen Wirtschaft, die sie leider nur allzu selten und effektiv kommunizieren. Eigentlich steht die Türkei seit Jahrzehnten in den Startlöchern. Klar kommen sie auch in dieser Phase weiter, aber dennoch nicht so, wie möglich wäre. Sie stehen und stehen. Sobald der Starter den Startknopf entdeckt, wer das auch sein mag, wird es vorwärts gehen. Allein die Corona-Krise hat bewirkt, dass einige Multis, die Produktionen von den Heimatstandorten in die Türkei verlagern. Leider sind es nur die, die sowieso da waren und neue kommen nicht hinzu. Diese werden kommen, sobald die Türkei wieder zur parlamentarischen Demokratie, oder etwas Ähnlichem zurückfindet. Solange werden alle ausländischen Direktinvestoren, wie auch die türkischen Produzenten, in den Startlöchern stehen und warten müssen.

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