Totensonntag und der erste Schultag in Deutschland in einem Text

Totensonntag, den ersten Schultag in Deutschland und die Galopprennen in einem Beitrag. Für unseren Vater, wir sind drei Brüder, ging es ab 1952 zwischen Deutschland und der Türkei immer hin und her. Zu den Anfängen zu Studienzwecken und danach nur um ab und an in Deutschland zu sein. Eigentlich kam er jedes Mal nach Deutschland, um endgültig hier zu leben, aber die innere Unruhe trieb ihn immer weiter. Als er Anfang der 60er Jahre wieder mal in Deutschland war, um an der TH in Aachen seinen Doktor zu machen, war ich schon im Gepäck. Das Foto zeigt mich, noch keine zwei Jahre alt, auf der Rennbahn in Köln Weidenpesch.
Wer mein Buch „Kaltstart X – Wie oft kann man im Leben bei null anfangen?“ gelesen hat, wird es wissen, dass die Rennpferde und die Galopprennen mein Hobby sind.
1972 kamen wir dann letztmalig zum großen Fürimmerdableiben nach Deutschland. Zuerst kurz in Frankfurt, aber da unser Vater mehr Freunde in Köln hatte, dann am Ende in die Domstadt, die für uns zur ewigen Heimat, zumindest im Herzen werden sollte.
Ich wurde nach einem IQ Test, wohlgemerkt als Neuankömmling, auf dem städtischen Gymnasium Köln-Nippes eingeschrieben. Heute trägt die Schule, die zu meiner Person passenderen Namen, Leonardo-Da-Vinci-Gymnasium.
Herbst 1973, kaum Deutschkenntnisse im Gepäck, das Herz pochend, wartete ich an der Haltestelle Graditzer Straße (Köln-Weidenpesch) auf den Bus. Mein zweiter Schultag. Beim ersten Schultag war noch mein Vater mit dabei, als ich der Klasse vorgeführt worden bin. Ich schreibe deshalb vorgeführt, weil es andere Zeiten waren. Ich war in der Klasse der einzige mit Migrationshintergrund. Heute ist das Verhältnis eher anders rum. Den Bus hatte ich verpasst, also musste ich in der Kälte warten. Direkt an der Haltestelle war der Zaun der Rennbahn. Die Pferde konnte man im Training beobachten, zumal die Bäume zu der Jahreszeit keine Blätter mehr trugen. An der Bushaltestelle war eine winzige Kapelle, die zu einem Haus daneben gehörte. Ich las das Klingelschild. „von Schmidt-Pauli“ stand drauf.
Eigentlich wohnte ich ca. 300 Meter von der Stelle entfernt, wo ich auf dem obigen, auf der Kölner Rennbahn, 1960 abgebildet worden war. Die Haltestelle, an der ich auf den Bus wartete, war auch nicht viel weiter.
Wer hätte gedacht, dass ich die Person auf dem Türschild und den Trainer (Werner Krbalek), der hinter den Bäumen seinen Reitern die Order gab, einige Jahre später, persönlich kennenlernen würde. Interessant war auch, dass Egbert von Schmidt-Pauli, vor dessen Tür ich auf den Bus wartete, damals noch der Geschäftsführer des Kölner Rennvereins und der Erfinder des Preises von Europa (wird heute noch als Gruppe I Rennen gelaufen) war.
Lange Rede kurzer Sinn, die Pferde immer ein Teil von meinem Leben. Immer, wenn ich die Schule schwänzte, war ich auf der Kölner Rennbahn und beobachtete die heutigen Legenden des Galoppsports Hein Bollow, Heinz Jentzsch, Peter Remmert, Werner Krbalek, Alfred Baltromei, Sven von Mitzlaff, Peter Alafi, Joan Pall… u.v.a.m. bei der Arbeit.
So gesehen bin ich ein Pferdemann durch und durch. Die Erfahrungen, die ich durch Beobachtung und Analysieren der unterschiedlichen Trainingsarten der Trainer, in Zusammenhang mit dem Training der Rennpferde bringe, machen mich zum absoluten Fachmann. Das weiß aber nur ich.
Wenn ich in Großbritannien oder Frankreich geboren worden wäre, was bei der Reiselust unseres Vaters durchaus im Rahmen des Möglichen war, hätte ich sicher einen Beruf rund um den Galoppsport gehabt. In Deutschland ist der Sport, bei der fehlenden Wettlust der Deutschen, eine Randsportart und wird es wahrscheinlich in hundert Jahren nur noch ganz exklusiv mit einigen Schaurennen im Jahr geben.
Dann, in einigen Hundert Jahren, wird man bei den Ausgrabungen auf die Rennbahnen stoßen, die es früher in Deutschland gegeben hat.
Warum ich überhaupt heute so einen Beitrag schrieb, hat eigentlich damit zu tun, dass heute Totensonntag ist.
Nicht, dass ich immer unterwegs wäre und alle Freizeiteinrichtungen auf einmal besuchen würde, nein, es wurmte mich früher immer, dass die Möglichkeit, wenn man etwas unternehmen wollte, überall zu war, an diesem Sonntag. Ich rede von früher, denn zu Corona-Zeiten ist jeder Tag, auch in der Woche, ein Totensonntag.