Auf dem Trödelmarkt: Ein Besenbinder und die Story dazu

Ein Besenbinder als Porzellanfigur und schon wurden Erinnerungen wach. Gestern war ich auf dem Trödelmarkt in Aschaffenburg. Das schöne Wetter veranlasste mich dazu.
Bestimmt war ich fast 20 Jahre nicht mehr auf einem Trödelmarkt. Das letzte Mal war es in Köln und damals sogar als Verkäufer. In Neuss hatte ich Ende neunziger Jahre eine Quelle aufgetan und bezog von chinesischen Anbietern Herrenbaumwollstrümpfe in schwarz. Fünf Paar, 100% Baumwolle kosteten 40 Cent. Damit sie mich nicht beeinflussen konnten, sperrte ich meine türkischen Gene ein. So schlug ich nur 10 Cent auf und verkaufte die Strümpfe weiter. Wohlgemerkt waren das pro Paar 2 Cent Aufschlag. Ich nahm mir ein Beispiel an den Chinesen. Die verkauften einen riesigen Container Strümpfe und verdienten nicht einmal eintausend Euro (umgerechnet von DM). Nur muss ich erwähnen, dass sie 10 Container am Tag verkauften. Also dachte ich, wenn die das können, musst du das auch machen, mit wenig Marge. Denn hätte ich die türkischen Gene freigelassen, hätte ich ein Euro Gewinn aufschlagen müssen. So ist das, denn die galoppierenden türkischen Gene lassen es nicht zu, dass du genugsam bist. Es muss immer mehr und noch mehr sein. Nach zwei Wochen juckte es und ich wollte selber mal sehen, wie der Verkauf direkt an den Endverbraucher funktionierte. Auf Empfehlung eines Freundes hin suchte ich mir einen umsatzstarken Trödelmarkt in Köln aus. Grundbedingung war, es dürfte keine Neuware angeboten werden. Also erfüllte ich die einzige Bedingung zu 100% nicht. Der Freund sagte, dass ich dem Marktmeister 50 DM zustecken müsse, damit die Neuware dann auf einmal als Second Hand deklariert wurde. Igitt, getragene Strümpfe, sozusagen Second Feet. Rot geworden bin ich, aber es klappte. Sieben Meter Theke, hatte ich mir von einem Freund geliehen. Den 7,5 Tonner hatte ich mir für zwei Tage gemietet. Bis oben hin voll mit Strümpfen. Ohne eine Ahnung zu haben, was auf so einem Flohmarkt abgehen könnte. Die Waren legte ich in voller sieben Meter breite aus. Die Schilder mit „5 Baumwollstrümpfe, 100% Baumwolle, 2 DM“ hingen pro laufenden Meter. Den 7,5 Tonner hatte ich an meinem Rücken, so konnte ich immer wieder Ware nachziehen, falls nötig. 8 Uhr kamen schon die ersten Kunden. Nicht zu mir, sondern auf den Flohmarkt. Zwei Stunden waren vergangen, die Kanne Kaffee schon alle und noch kein Cent Umsatz gemacht. Um 10 Uhr 3 Minuten und 20 Sekunden passierte es. Eine türkische Big-Mama, die wie eine Matroschka-Figur in unischwarz aussah, fragte: „Was kosten die?“ Der Preis stand auf 7 großen Tafeln in großen Lettern geschrieben da, aber sie fragte wohl sicherheitshalber nochmals nach. Sie tastete sich langsam heran und hatte mittlerweile zehn verschiedene fünfer Packs berührt, gestreichelt usw. „Hast du eine Tüte?“ Klar, ich war ja gut vorbereitet. Ich gab ihr die Tüte. „Nein größer!“ Ich gab ihr eine große blaue Mülltüte. Sie fing an die Tüte voll zu machen. Als die Tüte halbvoll war, sagte ich „Stopp! Wir müssen doch erst einmal zählen.“ Also die Tüte wieder leer gemacht und gezählt. Sie kaufte 100 fünferpack Strümpfe. Sie ging so hektisch zu Gange, dass die Menschen die sie sahen sicher dachten, bei mir gäbe es was umsonst. Jeder der kam fragte: „Was kosten die Strümpfe?“. Das kannte ich aus meinen Studienzeiten, als ich in einem Turkish Airlines Büro aushalf. Jeder der reinkam fragte: „Habt Ihr Tickets?“ (Bilet varmı?), wo wir doch sonst nichts hatten. Dank der türkischen Big-Mama brach ein Ran auf meine schwarzen Socken aus, als gäbe es kein morgen mehr. Ich rief zwei Freunde an, sie sollten mir zur Hilfe eilen. Auf einmal merkte ich, dass der LKW immer leerer wurde und ich bald keine Ware mehr haben würde. Die Beschwerden kamen von anderen Marktverkäufern, dass ich ja Neuware verkaufen würde, was nicht erlaubt war. Der 50 DM Marktmeister kam und sagte: „Du hast mir gar nicht gesagt, dass du Neuware verkaufst. Nur heute, danach hast du Marktverbot hier.“ Ich war am rotieren und rief den Chinesen in Neuss an, ob er mir den noch ein LKW-Ware bringen könnte. Denn der Flohmarkt ging bis 16 Uhr. Ich glaube, auch wenn ich ihm das in Chinesisch zu erklären versucht hätte, hätte er das nicht verstanden. Sein „Nein“ hatte ich verstanden. 11:30 Uhr, also knapp 87 Minuten nach Verkaufsbeginn, war ich ausverkauft. Keine Ware mehr da, nada. Ich wusste nicht wohin mit all der Adrenalin. Die nächsten Tage verkaufte ich die Strümpfe weiter als Großhändler, bis ich mich nicht mehr auf die Tagesmärkte traute. Auf einem Markt verkauften zehn Stände meine Strümpfe bzw. die meisten blieben drauf sitzen. Die Stadt hatte eine gewisse Sättigung an schwarzen Herrenstrümpfen erreicht und viele andere Großhändler hatten erfahren, wer mein Lieferant war. Wenn ich an die Menge denke, dürften die Benutzer der schwarzen Strümpfe die nächsten zehn Jahr keine Strümpfe mehr gekauft haben.
Eigentlich wollte ich Euch die Geschichte um den Besenbinder erzählen. 🙂 Das mache ich dann morgen.