Andersdenkende – Wie man erhitzten Gemütern mit Migrationshintergrund begegnen sollte

Andersdenkende ist ein Wort, welches für die Andersdenken die sich dazu zählen, in Ordnung ist, aber für die anderen Andersdenkenden vom anderen Ufer schon etwas Kriminelles bedeuten kann.

‘Unsinn verzapft’ ist die Überschrift meiner Kolumne aus dem Tagesspiegel. 

Ich stand an der Zapfsäule und war während des Tankens in meine Tagträume versunken. Projekte, Themen, neue Umsatzbringer – unglaublich, woran man beim Tanken denken kann. Auch wenn ich unbewusst in die Gegend schaute und wie alle, die tankten, eine Maske trug, konnte ich feststellen, dass an den Zapfsäulen vier Autos mit türkischen Fahrern standen. Nun gut, der eine hätte von woanders sein können, aber der Ursprung bei uns anderen dreien war nicht Deutsch.

Beim Bezahlen wurde Türkisch gesprochen, der Kassierer war ebenfalls vom Land des Prächtigen. Der vierte im Spiel war, wie zuerst angedacht, ebenfalls türkischen Ursprungs. Da die anderen annahmen, ich wäre der einzige Deutsche unter Ihnen, sagte einer. „Lasst den Deutschen vor, der schaut schon so komisch.“ Das tat ich zwar nicht, aber irgendwie passte ich nicht ins Bild: so ohne Haare, wo doch alle massig viel Haare auf dem Kopf und im Gesicht hatten. Ich sagte auf Türkisch, dass ich warten kann.

Manchmal muss man auch die Fotos selber schießen, wenn man nichts passendes mit Lizenz findet. 🙂

Der Kassierer las ein Propagandablatt aus dem Hause Erdogan. Die Überschrift lautete: „Armenien und Griechenland sollen sich warm anziehen!“ Genau mein Fall also. Der eine wiederholte die Überschrift und die anderen stimmten mit ein. Wir hatten alle bezahlt, als einer fragte, ob er uns einen Kaffee ausgeben könne. Warum nicht, dachte ich. Danach ging es hoch her. Die drei steigerten sich in die Sache hinein, so, als wären Armenien und Griechenland schon von der Landkarte ausradiert. Es fiel auf, dass ich sehr schweigsam war. „Bist Du nicht dieser Meinung?“ fragte der eine. „Ganz und gar nicht!“ sagte ich. „Bist Du etwa einer von der Gegenseite?“ „Welche Gegenseite?“ „Ich kenne so einen wie Dich vom Internet. Der Schweinehund schreibt immer gegen die Türkei und kritisiert alles an der Türkei und Erdogan. Nicht genug damit, er schreibt das auch noch auf Deutsch, damit die Deutschen das auch verstehen und wir uns blamieren müssen.“

Schon hatte einer von ihnen im Internet meinen Blog aufgerufen. „Hier, dass ist dieser Terrorist!“ sagte er. Genau in dem Moment setzte ich exakt die Kappe auf, die ich in meinem Blog auf der Hauptseite trage. Zwei registrierten sofort, dass der angedachte Terrorist vor ihnen stand. „Hodscham“, bedeutet „Mein Hodscha“. „Hodscham, hoffentlich haben Sie das nicht falsch verstanden?“ Auf einmal switchten sie alle, so wie ich von Anfang an auf das „Sie“ und „Hodscham“.

Damit wir als Freunde auseinandergehen konnten, verzichtete ich auf die Gegenargumente, die ich hätte bringen können. Zwecklos, denn eine Diskussion würde nicht zustande kommen. Das passierte gestern. Heute grüßte mich einer von denen auf der Straße mit Kopfnicken, Lächeln und „Hodscham!“

 

So hörte meine Kolumne auf. Siehe da, wir waren auf einmal “Wir” und die Fragestellung “bist du von der anderen Seite?” erübrigte sich in seinem Kopf. Ja, ich war von der anderen, hinterfragenden, nicht alles automatische akzeptierenden Seite. Der Dialog und die Begegnungen sind es, die bei den Menschen etwas bewegen. Natürlich muss die eine Seite federführend und darauf bedacht sein, jederzeit diese berühmten 1-2 Schritte zurückzugehen, nennen wir es Niveauregulierung, damit der Dialog fortgeführt werden kann. Stehen jedoch erhitzte Gemüter gegenüber, geht die Sache nicht gut aus. Ich bin immer der, der den Knopf für die Niveauregulierung bedient. Die Formel ist einfach. Ich bin nicht nur ein höflicher Mensch, mich kann im Gespräch kaum etwas aus der Ruhe bringen. Mein Gegenüber kann mich noch so sehr versuchen zu beleidigen. Das ist mein Charakter, auch dass ich ständig ein Lächeln im Gesicht habe, die aber nur Freundlichkeit ausdrückt und kein Auslachen, gehört ebenfalls zur Grundausstattung. Wenn mein Gegenüber schon auf Hundert und drüber ist, wenn er mir begegnet, mir verbal Dinge an den Kopf schmeißt und mich duzt, schlage ich nicht mit seinen Waffen zurück, sondern bleibe bei “Sie” und bin schnell bei “Wir”, denn was kann schon so schlimm sein und zwischen uns stehen, dass wir uns nicht verstehen bzw. er mich hast. So gesehen, reden wir eigentlich über ‘belangloses Zeugs’, wie man zu sagen pflegt. Nennen wir ihn mal heute Erdogan. Was ändert sich an seinem Handeln, wenn ich eine schlechte Meinung von ihm habe? Was ändert sich an seinem Handeln, wenn mein Gegenüber für ihn Partei ergreift und ihn zum Himmel hoch lobt? Nichts! Es geht rein ums Recht haben und da kann ich gerne darauf verzichten, wenn es dazu dient, mein gegenüber und mich nicht zu entzweien. Dann soll er sich halt wohl fühlen, mit seinem Standpunkt. Oftmals ist es aber so, dass die Anhänger, nach unserer Begegnung zumindest ein anderes Bild von der anderen Seite, wie sie zu sagen pflegen, bekommen. Höfliche Menschen, die nicht so schnell aus der Haut fahren und die man am Ende “Hodscha” nennt. 😉

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