“Das ist Tee von gestern!”

Muss vielen als Mittags- oder Abendtisch reichen.

Ich bin kein Teetrinker. Das türkische Nationalgetränk, den Schwarztee, mag  und vertrage ich nicht. Nur aus Höflichkeit greife ich mal nach einem Glas, manchmal auch nach zwei, wenn ich bei einem Geschäftstermin in der Türkei bin. Danach konnte ich mit einem Unwohlsein rumlaufen. Schwarztee ist für mich nur farbiges Wasser, das nur mit Zucker zu verkraften ist. Nicht schimpfen, ich weiß, alles Geschmackssache. Es ist halt nicht mein Geschmack.

Die Statistiken, die man nicht erst selber fälschen muss, besagen, dass 96 von 100 Erwachsenen in der Türkei, jeden Tag Tee trinken und dass sie nicht bei einem Glas belassen, können alle, die mit der Türkei etwas zu tun haben, bestätigen. Ich wundere mich jedesmal, wie oft man aus einem einzigen Glass Tee schlürft. Das Wenige, was im kleinen Teeglas drin ist, trinke ich zumeist in zwei oder drei Schlucken, sobald etwas abgekühlt ist und niemals ohne Süßstoff.

Schlürf!

Ich lebte in Istanbul-Moda, wo zwei riesige Teegärten vor meiner Nase betrieben wurden. Ein lohnenderes Geschäft kann man sich nicht vorstellen, denn das rötlich farbige heiße Wasser wurde gleich einige zehntausend Mal am Tag verkauft. Bei einem Teetrinker habe ich beobachtet, dass er glatt 24mal an dem kleinen Teeglas geschlürft hat, bis es leer war. Das hat 40 Minuten gedauert. Da frage ich mich, ob er denn ein Teeliebhaber ist, oder nur ein Gewohnheitstrinker. Nach ca. 15 Minuten war sein Tee eiskalt, oder mochte er nur Eistee?

Fast eine Million Menschen sind mit Teeanbau befasst.

Sage und schreibe 204.000 Familien leben in der Türkei vom Tee-Anbau. Pro Familie sind das dann ca. 4-4,5 Hektar, die sie besitzen. Bei dieser Fläche kann man ca. 4,8 Tonnen Tee im Jahr ernten. Leben unter der Armutsgrenze garantiert und das in einem Dorf, denn mit diesem Einkommen dürfte man sich nicht in eine Stadt trauen. Für all diese Familien ist der Tee-Anbau mittlerweile zum Zusatzverdienst bzw. Gewohnheit geworden, der sie traditionell bedingt, nachgehen. Leben kann man davon definitiv nicht.

Wettbewerbsverzerrung durch Subvention

Der Staat subventioniert weiterhin den Ex-Monopolisten Caykur (das Staatsmonopol wurde 1984 aufgehoben) und sorgt für Ungleichgewicht auf dem Teemarkt. Dieses wird um so unverständlicher, wenn man weiß, dass Caykur ebenfalls privatisiert werden soll, wie die meisten Staatsbetriebe. Gerüchten zufolge gehört Caykur schon Katarern, oder wurde Katarern zugesprochen.

Legalen Schmuggel gibt es nur bei Tee

10-15% des Tees ist Schmuggelware, welche sogar ordentlich statistisch bei Türkstat (TUIK) erfasst wird. Mit ständigem Zurückstutzen sind die Felder über 80 Jahre alt und der Tee grundsätzlich von schlechter Qualität (nicht denken, dass dieses meine eigene Meinung bzw. Bewertung ist, wie gesagt, ich bin kein Teetrinker). Der Teezüchterverband in Rize schreibt das in dem Report aus 2009 ‘Türkiye Siyah Cay Raporu’ von 2009) selbst. Traurig und witzig zugleich finde ich die Tatsache, dass gerade in den Gegenden der Türkei, wo Tee angebaut wird, der meiste Schmuggeltee konsumiert wird (steht auch in dem erwähnen Bericht).

Wer auf den guten Geschmack schwört, gewinnt mir ein Schmunzeln ab.

Des Türken Nationalgetränk (mit über 3kg Tee/Kopf/Jahr Nr. 1 weltweit) beinhaltet neben den Teeblättern, die verarbeitet werden, auch sehr viel Holz von den Ästen der Pflanze. Wenn man also auf den tollen Geschmack des türkischen Tees schwört, dann kann es durchaus sein, dass es vom guten Holz kommt. Auch werden in den letzten Jahren verstärkt, Aromen, Geschmacks- und Farbverstärker beigemischt. 😉

Teeanbau in der Türkei erst seit 1938

Es kam nicht von ungefähr, dass man Mustafa Kemal Atatürk immer Kaffee trinkend fotografiert hat, denn Tee hat er nicht gekannt.

Türkei hat die 7. größte Teeanbaufläche weltweit. Bei der produzierten Menge liegt die Türkei an 5. Stelle. Der Autor Remzi Caglar hat in seinem Buch “Caylar Sirketten” (Die Tees gehen auf die Firma) die Warnungen ausgesprochen, auf die ich schon vor einiger Zeit hingewiesen hatte. Die Türkei benötigt dringend neue Teepflanzen, damit man nochmal 100 Jahre davon Tee ernten kann und die Subventionierung des staatlichen Teebetriebes Caykur muss aufhören.

100 Jahre alte Teepflanze = Tee von gestern

Wenn Tee angepflanzt wird, kann man die erste Ernte erst nach 4 Jahren erwarten. Die Pflanze hat eine Lebenserwartung von 100 Jahren. Die beste Qualität bekommt man, wenn die Pflanze 10-15 Jahre alt ist. Wenn man die Türkei betrachtet, kann man sagen: “Das war mal”. Die türkischen Teepflanzen werden bald 100 Jahre alt und müssten dringend durch neue ersetzt werden. Bei sehr wohlwollender Einschätzung wird es in 20 Jahren kein türkisches Tee mehr geben. Wie die Energieimporte, wird auch Tee eine Importware. Importe, die zwingend notwendig werden würden, zumal der Türke ohne Tee nicht überlebensfähig wäre.

Der schlechte und unsachgemäße Umgang mit Dünger, wird diese Zeitspanne sogar noch beschleunigen, denken die Fachleute. Wie in 1938 müssen neue Teeanbaugebiete erschlossen werden. Nur, vier Jahre ohne jegliche Einnahmen warten, wer kann das?

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