Gestern wurde ich auf der Fifth Avenue von The Ordnungsamt angesprochen

Die Fifth Avenue von Aschaffenburg heißt so ähnlich, nämlich Herstallstraße. Sehr lang ist die Straße nicht. Von einem Ende kann man das andere locker sehen.
Gestern hielt ich mich kurz auf dieser Straße auf, als mein Handy klingelte. Der Anruf kam aus der Türkei. Ich hatte den Anrufer vorher nicht erreichen können und jetzt rief er zurück und fragte, wie er mir helfen könne.
Gerade wollte ich ihm auf Türkisch sagen, dass ich Hochofenschlacke suche, fiel mir das türkische Wort für Schlacke nicht ein. Es glich schon einem Wunder, dass mir das deutsche Wort ‚Schlacke‘ einfiel, zumal ich bis dato nichts damit zu tun hatte. Das Wort kommt aus dem Hüttenwesen und ist die Bezeichnung für beim Schmelzen, Verhütten von Erz zurückbleibende, beim Erkalten zu einer glasartigen Masse erstarrende Substanz. Erstaunlich, wenn man bedenkt, dass mein Vater sein Doktor in Gesteins- und Hüttenkunde machte, hätte ich das schon genetisch bedingt wissen müssen. Kannte ich aber nicht. Also machte ich mich vor diesem Telefonat schon ran und suchte nach dem türkischen Wort für Schlacke. Was ich sah, war wie eine Begegnung der ganz besonderen Art. Das türkische Wort dafür war ‚Cüruf‘, ausgesprochen Dschüruf. Konnte das stimmen? Also schaute ich weiter im Internet und war mir am Ende sicher, Dschüruf war Schlacke auf Türkisch. Nur, wie behalten? Ich versuchte eine Eselsbrücke zu schlagen, damit ich das Wort zu jeder Zeit parat haben würde. Irgendwie ging das auch nicht. Esel gehen nicht über solche Brücken. Was für ein Wort? Dem Anrufer sagte ich: „Warten Sie bitte, da kommt ein Anruf rein.“ In der Zeit schaute ich in den Online-Translator. Dschüruf, da war das Wort. Ich sagte ihm, dass ich nach Dschüruf suche. „Ich habe Sie akustisch nicht verstanden.“ sagte er. „Denke ich mir, ich verstehe das ausgesprochene selber nicht, wie sollen Sie das durch die Maske, die ich gerade trage, verstehen.“
Ich nahm die Maske ab. Sie hing mir an einem Ohr runter. In einem einwandfreien Türkisch sagte ich, dass ich eine Anfrage über Dschüruf aus Deutschland hätte, als mir dunkelblau vor den Augen wurde. Zwei Personen von The Ordnungsamt of Aschaffenburg County standen vor mir. „Setzen Sie bitte die Maske auf, sonst muss ich Sie kostenpflichtig verwarnen.„ Sofort nach dem Telefonat sitzt die Maske wieder richtig.“ sagte ich, als einer von den beiden mit einem bestimmenden Ton: „Sofort!“ sagte. Ich fühlte mich in meine Kindheit versetzt, denn kurz danach schmiss meine Mutter mit ihren Latschen nach mir. Ich setzte die Maske wieder auf und spürte, wie Aschaffenburg auf einmal ein sicherer Ort wurde. Von mir ging keine Gefahr mehr aus und ich selber war auch auf einmal untötbar. Ich schaute rechts und links über die Fifth Avenue von Aschaffenburg, was soll ich sagen, um 11:30 Uhr hielten sich ganze 10 Menschen dort auf und die einzige Menschenansammlung bestand aus drei Personen. Zwei vom Ordnungsamt Aschaffenburg und einem Passanten, dem die Maske von einem Ohr runterhing. Den Anrufer aus der Türkei hatte ich schon vorher mit den Worten abgewürgt, dass ich glauben würde, dass ich verhaftet werde. Im Auto angekommen musste ich ihn schnell anrufen und aufklären, wie die Dinge standen.
Zuhause angekommen dann entdeckte ich ein Schreiben vom Landratsamt Aschaffenburg.
Betreff: Vorsorglicher Umtausch von Schutzmasken.
„Sehr geehrte Damen und Herren,
im Januar hatten wir Ihnen im Namen und Auftrag des Freistaats Bayern Masken zugesandt. Der Freistaat Bayern hatte hierfür die Marken „Titanium Silver Antibacterial Antiviral Mask“ zur Verfügung gestellt. Nun hat uns das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) informiert, dass deren interne Prüfung darauf schließen lasse, dass die Masken nicht die normativ geforderten Leistungen erfüllen. Daher hat das LGL die Masken nun vorsorglich als bedenklich eingestuft und bittet um Rückführung. […] Ersatzmasken können in den Rathäusern abgeholt werden.“ […]
Ihr Landratsamt