Erdogan regierte schon einmal in den 50er Jahren

Überlegt, welches Foto ich nehmen sollte. Ich entschied mich für dieses, zumal die beiden Protagonisten für den geistigen und wirtschaftlichen Dunkel und des Niedergangs, der Türkei stehen.

Der (leider) Präsident der Türkei Erdogan regierte schon einmal, damals von 1950 bis 1960. Jetzt werden einige sagen, dass er damals bei seinem Vater unterwegs war und erst sechs Jahre später, in 1956, geboren wurde. Stimmt, aber damals hieß er auch anders, nämlich Adnan Menderes.

Als Menderes an die Macht kam, war er 56 Jahre alt. Er war der Sohn eines Großgrundbesitzers. In seiner Jugend soll er, wie der Erdogan, Fußball gespielt haben. Schaut man sich die Vereine an, in der die beiden spielten, muss Menderes der bessere Fußballer gewesen sein. In die Politik trat Menderes mit 30 Jahren ein. Eigentlich möchte ich Euch nicht mit Details verwirren und langweilen, wann er warum in welcher Position war, aber in seiner Zeit, in diesen zehn Jahren passierte sehr viel in der Türkei und alles nahm für die Türkei eine negative Wendung ein.

Menderes forderte die Rückkehr zum islamischen Staat. Zu seiner Zeit riefen die Imame im Land, auf Veranlassung des Staatsgründers Atatürk, die Gläubigen auf Türkisch zum Gebet auf, statt in Arabisch. Diese Verordnung hob er auf. Er sah sich als Reformer, dabei wollte er die Türkei mit dem Islam in die Rückständigkeit zurückführen. Er sagte:

„Wir haben unsere bis jetzt unterdrückte Religion von der Unterdrückung befreit. Ohne das Geschrei der besessenen Reformisten zu beachten, haben wir den Gebetsruf wieder auf das Arabische umgestellt, den Religionsunterricht an den Schulen eingeführt und im Radio die Rezitation des Koran zugelassen. Der türkische Staat ist muslimisch und wird muslimisch bleiben. Alles, was der Islam fordert, wird von der Regierung eingehalten werden.“ (1)

Dass die Türkei am Korea-Krieg teilnahm, war sein Werk. Merkt Ihr die Parallelen? Der (leider) Präsident der Türkei von heute, führt auch dort Krieg, wo die Türkei nichts verloren hat. Dem Aufruf der UN folgend und das direkt nach den USA, entschied die Türkei 4.500 Soldaten nach Korea zu schicken. Eigentlich widersprach sein Vorgehen der türkischen Verfassung, denn er entschied sich für den Einsatz der Truppen, ohne die Zustimmung des Nationalrates zu holen. Ich muss mich immer wieder daran erinnern, dass ich über Menderes schreibe und nicht über Erdogan, denn zu viele Parallelen gibt es zwischen den beiden. Damals, wie heute, waren die Türken stolz, dorthin Soldaten zu entsenden und wieder mal an einem Krieg teilzunehmen. Dabei verließ man auch die Neutralitätspolitik von Atatürk. Dank dieser Haltung hatte es die Türkei geschafft, sich aus dem zweiten Weltkrieg herauszuhalten.

Als Beweggrund für den Koreaeinsatz äußerte Menderes 1951 gegenüber der türkischen Zeitung Vatan, die Türkei werde in den internationalen Beziehungen jetzt als Großmacht angesehen. (2) Aha, die Ursprünge der Großmachtfantasien des Herrn Erdogan.

1949 hatte der Vorgänger von Menderes den Staat Israel anerkannt. Das war nicht so sehr im Sinne von Menderes, der das als eine Last sah, als es darum ging, um die „Rote Gefahr“, wie die Sowjets, die sich in Nahost drängten, was früher osmanisches Reich war, um die Gunst der arabischen Länder zu buhlen. Nicht nur die Tatsache, dass man Israel anerkannt hatte, auch der Hass der arabischen Länder gegenüber der Türkei als ehemalige Kolonialherren, erschwerte die Situation.

In der Anfangsphase der Regierung Menderes erfuhr die türkische Wirtschaft wohl einen merklichen Aufschwung, was zu einer kurzen positiven Stimmung im Lande führte. Eigentlich wie bei Erdogan, der das, was er als Positiv herausstellen kann, zwischen 2002 und ca. 2006 schaffte und 2004 sogar der Europäer des Jahres wurde. Die Aufschwungsphase war dank der USA möglich geworden. Diese halfen der Türkei wo sie nur konnten, denn schließlich hatten sie ihren Günstling Menderes am Ruder, wie heute Erdogan.

Jetzt kommen wir zu einer ganz erstaunlichen Parallele dieser beiden Männer. Dabei geht es um die Pogrome von Istanbul in 1955. Diese ereigneten sich am 6. und 7. September. Das griechisch-christliche Leben fand damit in Istanbul ein jähes Ende und über 100.000 Griechen verließen ihre alte Heimat, die Türkei, für immer. Die griechische Bevölkerung war zuletzt 1945 bei der Volkszählung erfasst worden. Ihre Zahl wurde damals mit 125.000 beziffert. 1999 lebten nur noch 2.500 Griechen in der Türkei. Jetzt fragt Ihr Euch evtl. wo die Parallele zu Erdogan geblieben ist, schließlich hat er etwas ähnliches nicht veranstaltet. Dazu muss man die Zeit wieder in Erinnerung rufen, als vor 2017 in der Türkei die Terrorbomben hochgingen. Diese waren geplant, behaupte ich mit Nichtwissen, aber mit Gewissheit, zumal ich mich da auf meine Beobachtungen verlasse. Dazu müsst Ihr wissen, dass in der Türkei grundsätzlich viele Sicherheitsbeamte in Zivil und mit Uniform vielerorts unterwegs sind. Bei all den Bombenanschlägen, wo alleine vor dem Hauptbahnhof von Ankara über 100 Menschen ums Leben kamen, kam kein Polizeibeamter zu Schaden. Wie konnte das möglich sein? Ihr kommt schon drauf. Warum fanden die Bombenanschläge im April 2017 ein abruptes Ende? Weil Mr. Erdogan die Verfassungsänderung per Referendum durchbrachte, wobei ungültige Wahlzettel für gültig erklärt werden mussten, damit das Ganze überhaupt zu seinen Gunsten funktionierte. Die nicht mehr hochgehenden Terrorbomben sollten der Bevölkerung zeigen, wie gut alles geworden war, nachdem er alleine regieren konnte.

Dass bei den Pogromen von Istanbul Menderes seine Finger im Spiel hatte, kann man natürlich nicht schwarz auf weiß beweisen. Das kann man auch bei dem Putsch ähnlichem Irgendwas vom 15. 07. 2016 bei Erdogan auch nicht tun. Die Quellen besagen aber ausnahmslos, dass Menderes das Volk von seinem wirtschaftlichen Versagen ablenken wollte und deshalb die Pogrome inszeniert, ja sogar wahrscheinlich organisiert hatte. (3)

Die türkische Wirtschaft ist derzeit in einem miserablen Zustand. Einen Ausweg gibt es nicht, zumal es keinen Plan gibt. Der einzig mögliche Geldgeber, der IWF, ist für den (leider) Präsidenten ein rotes Tuch. Selbst der  IWF müsste bei einer möglichen Geldvergabe an die Türkei einen Katalog von Maßnahmen und Einschränkungen aufstellen, die ein Erdogan niemals befolgen könnte bzw. würde. Also kann eine Hilfestellung zur Rettung, erst nach seinem Abdanken möglich werden.

Ob und was er veranstalten wird, um die Bevölkerung von dieser Situation abzulenken, werden wir sehen. Er hat unter seinen Anhängern Gruppierungen in der Türkei, die bis an die Haarspitzen bewaffnet sind. Ob diese zum Einsatz kommen werden, organisiert oder als Mob, müssen wir abwarten.

Wenn wir uns daran erinnern, wie sehr Erdogan, als er zum Europäer des Jahres gekürt wurde (2004) um eine EU-Mitgliedschaft bemüht war, muss man sich nicht wundern, dass etwas ähnliches bei Menderes auch stattfand. Ein wichtiges Ereignis in Menderes’ Regierungszeit war am 21. Juli 1959, der Antrag auf Assoziierung der Türkei mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG). Das Assoziierungsabkommen EWG – Türkei wurde am 12. September 1963 unterzeichnet und trat am 1. Dezember 1964 in Kraft.

Unglaublich oder? Der politische Islam braucht immer Europa als Rückendeckung. Dass Deutschland auch bei Menderes voll dabei war, stellt man fest, wenn man erfährt, dass Menderes ein Träger des Bundesverdienstkreuzes war.

Menderes entschied die Bildungseinrichtungen und die Dorfinstitute, auf Druck der Großbauern im Lande, die ihm sonst bei den Wahlen die Stimmen verweigert hätten, zu schließen. Die Dorfinstitute bildeten Lehrer für die ländlichen Regionen der Türkei aus. Die Schüler entstammten ebenfalls aus diesen Dörfern. Politischer Islam halt! Es musste dafür gesorgt werden, dass das Volk mehrheitlich als Stimmlieferanten und beeinflussbare Bürger dumm gehalten wird. Nichts anderes passiert heute, mit der Öffnung vieler religiöser Schulen in der Türkei. Wie sagte ein AKP-Minister vor laufenden Kameras mal: „Gebildete Menschen wählen uns nicht!“

Berichte ich Euch von seinem Privatleben oder von eher seinem Tod? Ich entscheide mich für das Private, weil das andere zu bitter ist. Privat war Menderes anders unterwegs als Erdogan. Während Erdogan im Internetzeitalter immer im Fokus der Öffentlichkeit ist, kann er schwerlich Romanzen ausleben. Menderes war verheiratet und hatte eine Opernsängerin zur Maitresse. Das sind keine Vermutungen, der Mann lebte sein Leben ungeniert in aller Öffentlichkeit. Damit nicht genug. Er hatte auch ein Verhältnis mit der Frau eines Polizisten. Eigentlich hätte man Menderes zu Lebzeiten fragen müssen, wo Sodom und Gomorra liegen, denn ich glaube, er entstammte aus einem der Städte. Wenn er Lust auf  die Frau des Polizisten hatte, ging er direkt zu ihr und platzierte den Ehemann der Geliebten als Wache vor der Tür. Was für einen miesen Charakter der Polizist hatte, kann ich schlecht in Worte ausdrücken, aber er wurde befördert und kam ziemlich oben an. Eigentlich wie dieser Tage bei Erdogan auch, wenn man bedenkt, dass sein Chauffeur, der wahrscheinlich zu viel wusste, zum Bildungsminister wurde, wie viele andere Nichtsnutze auch zu wichtigen Posten kamen.

Der Anfang vom Ende klopfte bei Menderes am 27. Mai 1960 an die Tür. Die Militärs kamen unblutig durch einen Putsch an die Macht. Einer der offiziellen Gründe für den Staatsstreich war der Vorwurf, dass sich die Demokratische Partei über kurdische Stammesführer und Scheichs in ihren Reihen für einen verbotenen Regionalismus zugunsten der Kurden eingesetzt habe. Nach dem damaligen türkischen Strafgesetzbuch war die Todesstrafe gegen Personen möglich, „die die Verfassung zu ändern, ersetzen oder außer Kraft zu setzen anstreben“. Das trifft für den (leider) Präsidenten Erdogan zu 100% zu, besonders als er noch Ministerpräsident war, beging er massiv Verfassungsbruch, nur wo kein Kläger, da kein Richter.

Menderes wurde verurteilt und am 17. September 1961 gehängt. Immer wieder propagiert Erdogan die Wiedereinführung der Todesstrafe in der Türkei, ohne die Absicht zu haben, diese Real einzuführen. Somit besteht nicht die Gefahr zu weiteren Parallelen mit Menderes.

Übrigens das Bundesverdienstkreuz bekam vielen Trägern nicht gut. Wie hat Schopenhauer gesagt: “Orden sind Wechselbriefe, gezogen auf die öffentliche Meinung.” Denn nicht weniger als acht Träger des Bonner Großkreuzes oder seiner Sonderstufe sind bereits aus dem eigenen Land vertrieben, umgebracht oder entmachtet worden:

– Brasiliens Präsident Getulio Vargas wurde gestürzt und endete durch Selbstmord;

– Argentiniens Staatschef Juan Perón setzte sich samt Bonner Orden nach Spanien ab;

– der Herr der Dominikanischen Republik, Trujillo, wurde von einem Attentäter niedergeschossen;

– Venezuelas Diktator Pérez Jiménez floh ins Ausland;

– Thailands Marschall Pibul Songgram wurde gestürzt;

– Türken-Premier Menderes wurde gehängt;

– Türken-Präsident Bayar wurde gestürzt;

– Japans Regierungschef Kischi wurde angestochen und gestürzt.

(1) Ahmet N. Yücekök, Türkiye’de Örgütlenmiş Dinin Sosyo-Ekonomik Tabanı, Ankara 1971, S. 93
(2) Norbert Wiggershaus, Winfried Heinemann: Nationale Außen- und Bündnispolitik der NATO-Mitgliedstaaten, Oldenburg Wissenschaftsverlag, München 2000, ISBN 3-486-56489-7, S. 289
(3) Human Rights Watch-Dokument 1999, S. 8


 

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