Erdogan feiert notgedrungen mit – Wenn einem die Instrumente ausgehen

Schon 1976 waren die heutigen Taliban-Führer und Erdogan am Werk.

Faktisch war die Türkei ab dem 23. April 1920 mit der Etablierung der Großen Nationalversammlung in Ankara eine Republik, doch die offizielle Anerkennung kam erst drei Jahre später, zum 29. Oktober 1923.

Der 29. Oktober wird im ganzen Land gefeiert. Dieses Jahr feiern auch die Regierenden mit, was sie in den letzten Jahren immer zu verhindern gewusst haben. An diesem Tag ließen sich viele, auch die Präsidenten, krankschreiben, oder machten widerwillig mit. Nicht so dieses Jahr.

Erdogan gehen die Instrumente zum Machterhalt aus, da muss er auf das setzen, was noch da ist. Nämlich die Republik und die Fahne. Das sind noch die zwei Nenner, unter der sich die meisten Türken und die sich türkisch fühlenden, wiederfinden. Es werden von AKP Schreiberlingen gut bedachte Reden geschrieben. Das Land, die Republik, gerade mal so hoch leben lassen, dass Atatürks Anteil, welches 100% ausmacht, daran nicht so groß erscheint, dass zwar die Republik hochleben soll, aber nicht so sehr Atatürk. Problem ist, die AKP ist auf die nationalistische Partei MHP angewiesen. Also muss man die Rede so gut dosieren, dass auch diese Kreise mitgenommen werden und nicht aufmucken.

29. Oktober 2021, die Türkei ist nicht mehr das, was sich damals Atatürk gewünscht und vorgestellt hat. Für mich ist er und das nicht nur für mich, der größte Reformer, der jemals auf Erden gelebt hat. In so kurzer Zeit eine Nation von der Steinzeit der Osmanen, in die zivilisierte, moderne Welt zu führen, war sein Werk. Was er zu seinen Lebzeiten tat, war immer die Warnung, die er aussprach. Die Türkei müsse laizistisch bleiben, koste es was es wolle. Nur sagte er im nächsten Atemzug, dass die die heute den politischen Islam ausmachen, in der kurzen Zeit seines Wirkens, er starb 1938, unmöglich abgedrängt und unwirksam gemacht werden konnten. Diese würden, wenn man nicht aufpasst, in keinen Hundert Jahren, wieder das Sagen haben.

Es kam so, wie er vorhersagte. Die Türken waren zu schwach und der politische Islam der Heuchler, der Diebe und Betrüger zu stark. Die Türkei feiert heute die Republikgründung, wovon aber nur noch das Gerüst existiert und die Hoffnung, dass man dieses wieder einmal, in ferner Zukunft, mit Leben füllen kann.

Die Zukunft, dass die Republik, so wie sich Atatürk diesen gewünscht hat, dass man dieser Republik wieder Leben einhaucht, ist so weit weg, dass ich nicht sagen vermag, wie viele hundert Jahre diese ausmachen würden.

Klar gibt es die hellen Köpfe im Lande, sowie im Ausland, wo doch so viele das Land verließen. Nur, wer klug ist, schweigt und ordnet sich ein oder unter. Der politische Islam sitzt überall. Alle Ämter sind von unterschiedlichsten Sekten und Gemeinden eingenommen worden. Diese werden die Stühle so leicht nicht hergeben, es sei denn, die nächste Gruppierung an der Macht ist so stark, dass sie diese durch die eigenen Leute ersetzen vermag. Austausch der Stühlebesetzer gibt es immer wieder mal, wie bei den Gülenisten der Fall. Deren Stühle sind von anderen Sekten/Gemeinden übernommen worden.

Die Türkei wird niemals so sein, wie ich sie mir wünsche. Eine in etwa funktionierende parlamentarische Demokratie, wo Meinungsfreiheit und die Menschenrechte funktionieren würden. Dieses geistige Potential existiert in der Türkei nicht mehr, wenn sie denn überhaupt existiert hat. Der Anstand und der Respekt sind auf der Strecke geblieben. Um diese wieder zurückzuholen, bedarf es einige Generationen, die weitab dem politischen Islam, mit gesundem Menschenverstand agieren. Gibt es diese und wird man sie dann machen lassen bzw. werden diese sich trauen, überhaupt irgendetwas zu bewegen. Mit Inschallah funktioniert das schon lange nicht mehr. Die Religion macht die Kühlschranke nicht voll, nur wann werden die Menschen, die Massen, das verstehen? Werden sie das überhaupt jemals verstehen?

Hier die Rede von Mustafa Kemal Atatürk zum 10. Gründungstag der Republik:

ATATÜRKS REDE ZUM 10. GRÜNDUNGSTAG DER REPUBLIK TÜRKEI

Türkische Nation!
Es ist 15 Jahre her, dass wir den Befreiungskampf begannen. Wir feiern heute, als unser größtes Fest, den 10. Gründungstag unserer Republik. Ich gratuliere Ihnen allen dazu! In diesem Augenblick bin ich, als ein Glied der türkischen Nation, äußerst begeistert und freue mich im höchsten Maße über diesen Tag, den ich herbeigesehnt habe.

Meine Landsleute!
Wir haben gemeinsam in kürzester Zeit Vieles und Großes geleistet. Die Größte dieser Leistungen ist, die Republik Türkei, deren Grundlage türkisches Heldentum und hohe türkische Kultur sind. Wir verdanken diesen Erfolg unserer türkischen Nation und unserer tüchtigen Armee, die beide immer entschlossen und Hand in Hand voranschritten.

Aber wir dürfen uns damit nicht begnügen. Wir sind entschlossen, noch Vieles und Großes zu leisten. Wir werden unser Land auf das Niveau der modernsten und zivilisiertesten Länder anheben und dafür sorgen, dass unsere Nation mit allen notwendigen Mitteln und Quellen Wohlstand erreicht. Wir werden unsere nationale Kultur sogar über das Niveau der zivilisierten Welt erhöhen.

Auf dieses Ziel hin aber dürfen wir nicht in dem schlaffen Tempo der vergangenen Jahrhunderte fortschreiten, sondern in dem raschen und dynamischen Tempo unserer Zeit.

Im Vergleich zur Vergangenheit müssen wir mehr und härter arbeiten. Wir müssen in kürzerer Zeit mehr leisten. Ich zweifle nicht daran, dass wir dies auch schaffen werden, denn die türkische Nation ist von festem Charakter, sie ist fleißig, sie ist fähig. Sie hat es geschafft, frühere Schwierigkeiten durch nationale Einheit und Einigkeit zu überwinden. Türkische Nation trägt die Fackel der Wissenschaft in ihrer Hand und in ihrem Kopf auf dem Wege zum Fortschritt und zur Zivilisation.

Ich muss auch nachdrücklich unterstreichen, dass eine der historischen Eigenschaften der türkischen Gesellschaft ist, über eine Vorliebe für die schönen Künste zu verfügen und hierin fortzuschreiten. Und es ist unsere nationale Zielvorstellung, diese Vorliebe, doch ebenso den festen Charakter unserer Nation, ihren unermüdlichen Fleiß, ihre Intelligenz, ihre Verbundenheit mit der Wissenschaft, ihr Gefühl für Einigkeit, ständig und mit allen Mitteln und Maßnahmen zu nähren und zu entwickeln. Dieses Ideal, das auf die türkische Nation genau passt, wird sie bei der Erfüllung ihrer Aufgabe auf dem Wege zur Verwirklichung des wahren Friedens der Menschheit, erfolgreich machen.

Große Türkische Nation! Du hast seit 15 Jahren bei den zu verrichtenden Arbeiten viele Erfolg versprechende Worte von mir gehört. Nun bin ich glücklich darüber, dass in keinem dieser Worte später Unzutreffendes vorgekommen ist, das das Vertrauen meiner Nation auf mich erschüttert hätte…

Heute wiederhole ich mit Betonung, mit Überzeugung und Entschlossenheit: Wie groß die türkische Nation ist, die in Einigkeit zu ihrem nationalen Ideal hin fortschreitet, wird die ganze Welt noch einmal feststellen und anerkennen.

Ich habe nie daran gezweifelt, dass die in Vergessenheit geratene große zivilisatorische Begabung der türkischen Nation, so wie sie sich entfaltet, am Horizont der fortschreitenden Weltzivilisation wie eine neu aufgehende Sonne aufsteigen wird.

Türkische Nation!
Ich wünsche von ganzem Herzen, dass du dein großes nationales Fest, in allen Jahrzehnten bis zur Ewigkeit, mit wachsender Ehre, mit Glück in Frieden und Wohlstand begehst.

Welch ein Glück, wenn einer von sich sagen kann: Ich bin ein Türke!

Übersetzt aus dem Türkischen von Dursun ATILGAN

Kaltstart X - Das Buch von Ahmet Refii Dener

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