Türkei: der Simit-Preis, der II.Weltkrieg, der Elfmeterschütze, der Mindestlohn

Oftmals müssen ein Simit (Sesamringe) und Tee, die Mahlzeit ersetzen.

Damals, als ich im März 2017 die Türkei verließ, kostete ein Simit zwischen 1 und 1,50 TL je nach Stadt. Heute sind die Preise auf 3,50 TL erhöht worden. Die Ärmsten machen sich immer wieder mit einem Tee oder Ayran (2 TL) und einem Simit (Sesamringe) satt. Nehmen wir eine vierköpfige Familie. Wenn die Familie, am Morgen, Mittags und Abends je ein Simit essen und eines der Getränke zu sich nehmen würde, macht das im Monat 1.980 TL bei 2.800 TL netto Mindestlohn.

Gerade werden die aktuellen Zahlen veröffentlicht, In den letzten fünf Monaten, also noch vor der kalten Jahreszeit, wurden 1.525.000 Stromkunden der Strom und 674.000 das Erdgas abgestellt. Wie wird es erst im Winter sein?

Jeder Satz vom Präsidenten, weil er immer das Falsche zu sagen pflegt, sorgt für eine Katastrophe. Noch gestern verkündete der staatliche TV Sender seinen Live-Auftritt, schossen die Devisenkurse in die Höhe.

Der II. Weltkrieg und die Türkei

Die Türkei machte zum Glück bei II. Weltkrieg nicht mit, dennoch war alles rationiert. Brot gab es z.B. gegen Brotmarken und die waren ebenfalls recht knapp. Hunderttausende stehen derzeit jeden Tag vor den städtischen Brotverkaufsstellen Schlange, um auch nur einige Cent zu sparen. Spricht das nicht Bände. Das Brot für 0,50 TL zu bekommen, heute umgerechnet, keine 4 Cent, scheint Sinn zu machen und nötig zu sein, wenn die Menschen bei Kälte Minuten lang anstehen.

Der damalige große Staatsmann Ismet Inönü schaffte, so ein kriegerisches Volk wie die Türken, mit ihrem Verbündetem aus dem I. Weltkrieg, aus dem II. Weltkrieg rauszuhalten. Auch wenn das mit Entbehrungen verbunden war, so starben keine türkischen Soldaten, oder Zivilisten.

Nach dem Krieg, bei den darauffolgenden Wahlen warf man ihm vor, er hätte das Volk bei knappen Rationen verhungern lassen. Daraufhin gab er eine historische Antwort.

„Ich habe Euch ohne Brot stehenlassen, aber dafür Euch nicht Eure Väter weggenommen.“

Es gibt eine nicht bestätigte Geschichte aus den 1940er Jahren. Damals kamen manchmal einige Schiffe von der Ägäis und andere vom Marmarameer zusammen. Sie standen sich parallel und fuhren dann in die Richtung zurück, wo sie hergekommen waren. Die türkischen Schiffe sollen dabei Getreide dabei gehabt haben, die dann auf die deutschen Schiffe umgeladen worden, erzählt man sich. Wenn das denn stimmen würde und die Türken deshalb Knappheit erlitten, muss man heute dennoch feststellen: Es hat sich gelohnt!  Es starben keine Menschen.

Damals gab es kein Brot und heute gibt es kein Geld. Es gibt kein Krieg, aber es gibt dennoch kein Geld. Brot gibt es wie damals gegen Brotmarken, die heute vom Geld ersetzt wird.

ELFMETER

Stellt Euch einen Fußballer vor, der bei seiner Mannschaft alle Elfmeter schießt. Bei 10 Schüssen, gehen etwa 5-6 daneben. Eines Tages entscheidet er sich, die Elfmeter mit Links zu schießen, mit seinem eigentlich schwächeren Bein. Auf einmal gehen von 10 Schüssen 9 daneben. Er glaubt aber an sich und denkt, dass mit mehr Übung das schon in Ordnung kommen würde. Jahrelange ändert sich aber nichts.

In der türkischen Politik war man früher froh, wenn 5-6 Entscheidungen am Ziel vorbeiführten, aber derzeit führen 10 von 10 Entscheidungen an allen Zielen vorbei.

Das Spiel ist fast verloren, nur der Elfmeterschütze glaubt immer noch, dass sein linkes Bein ihn nicht im Stich lassen wird.

DER MINDESTLOHN WIRD FESTGELEGT

Im Dezember verhandeln die Regierung, die Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter über den für 2022 gültigen Mindestlohn. Die Opposition verlangt, dass der Nettobetrag, derzeit von 2.800 TL auf 4.500 TL steigen müsse.

Anfang Juni stand der Euro noch bei 9 TL und heute bei 15 TL. Bedeutet, dass der Türke im Juni noch 311 EUR im Monat verdiente und sollte es so kommen, wie die Opposition verlangt, im kommenden Jahr unter 300 EUR in der Tasche haben wird. Kaufkraftverlust pur!

 

 

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