One-size-fits-all funktioniert bei mir nicht

Die Definition von One-size-fits-all im Wörterbuch bezieht sich auf Richtlinien oder Ansätze, die Standard sind und nicht auf individuelle Bedürfnisse zugeschnitten sind. So steht es zwar im Wörterbuch, aber der Hersteller des Produktes geht davon aus, dass dieses Produkt, zumeist Caps, Stretch-Leggings, -Oberteile, Caps, Hüte, Jedermann, Jederfrau und Jederdiverse passen müssten.
Bei One-size-fits-all spielen sogar die Hautfarbe und Religion keine Rolle und doch trifft die Definition aus dem Wörterbuch auf mich zu. Besonders die Stelle… „…nicht auf individuelle Bedürfnisse zugeschnitten…“. Stimmt!
Mein Kopf weicht vom Standard ab. Für mich beruhigend war, dass ich einmal bei einer nötig gewordenen Tomographie feststellen konnte, dass mein Hirn den größeren Raum komplett in Anspruch nahm und beim Laufen oder Ruckeln, nicht an der Schädelwand aufschlug, weil zu kleingeraten.
Tja, so kann ich vieles, was mir gefällt und was an und auf den Kopf gehört nicht tragen. Designer-Teile, wie z.B. Brillen sind für die anderen, aber nicht für mich gemacht. Wenn ich auf einem Foto eine Brille trage, dann aus Freude, dass die Brille mir passte, obwohl es doch nicht ganz passte.
Auf diesem Foto oben trage ich eine 7 Euro Lesebrille, wo die Bügel glücklicherweise nach Außen hin nachgeben und so, von vorne gesehen, zwar auf dem Kopf bleiben und die Brille ihre Dienste verrichtet, aber die Bügel nicht hinter die Ohren greifen.
Einmal bekam ich von einem Online-Brillenverkäufer ein Angebot. Ich rief dort an und erklärte, wie die Sachlage war. „Kein Problem, machen Sie bitte ein Termin mit unserem Markenpartner vor Ort und Sie bekommen die passende Brille.“ Gesagt, getan.
Ich saß beim Optiker, die mir bzw. meinem Kopf die passende Lesebrille für 130 EUR verpassen sollte. Ich dachte mir, Hauptsache eine Brille, die zu meinem Kopf passt. Schließlich arbeite ich nur am Computer und benötige eine Lesebrille.
Der Termin gestaltete sich nicht besonders schön für mich. Dem Optiker war es sichtlich peinlich, dass er der Markenvertreter dieser Online-Marke war. „Eigentlich verkaufe ich solche Brillen nicht. Bei mir fangen die Preise ab Tausend Euro an. Die Marke habe ich, um mich bekannter zu machen.“ Tatsächlich arbeitete er alleine und nach Termin. Als ich das Gestell, welches er mir vorschlug anprobierte, passte es tatsächlich. Die Größe stimmte, drückte nicht und war bequem. Gerade, als ich glücklich war, eine passende Lesebrille zu haben, der Spruch: „Normalerweise, wenn Sie mein Kunde wären, würden Sie so ein Gestell niemals zu Gesicht bekommen.“
Ich wurde neugierig und fragte, was er mir den vorschlagen würde, wenn ich wegen ihm gekommen wäre und nicht wegen der Online-Marke. Er holte einige Modelle, die allesamt zu klein waren.
„Gesetzt den Fall, eines dieser Gestelle hätte gepasst, was würde mich den so eine Lesebrille kosten?“ „Um die fünfhundert Euro!“ sagte er. Ich dachte an die auf den Verkaufsdisplays in vielen Einzelhandelsketten und Drogeriemärkten, Kiosken etc. feilgebotenen 5 Euro Lesebrillen. Theoretisch würde ich 100 Stück davon auf einmal am Kopf tragen.
Dann erzählte er mir noch technisches Zeugs, wo ich schon nicht mehr hinhörte. Irgendwas mit China hat er dennoch gesagt. China bleibt immer haften, egal in welchem Zusammenhang, denn keine zwei Monate später kam das Coronavirus daher.
Nach knapp einem Monat, war meine Brille da. 15:15 Uhr an einem Donnerstag, konnte ich die Brille abholen gehen. Der Optiker hat nur zu Showzwecke nochmal handangelegt und die Brille meinem Gesicht angepasst, was nicht nötig war, zumal es von Anfang an passte.
Jede Sekunde konnte man ihm ansehen, dass er das Gefühl, dass er sich unter Wert verkaufte, nicht abstreifen konnte. Er verabschiedete mich mit den Worten: „Wenn Sie was Besseres mal sich zulegen wollen, schauen Sie gerne vorbei.“ „Gerne, aber sicher keine Lesebrille, denn Sie haben ja kein passendes Gestell für mich.“
Ich teile ja normalerweise selten Selfies (Ironie). So teilte ich mal ein Foto von mir vor dem PC, mit eben dieser neuen Lesebrille. Es kam, wie es kommen musste. Unter meinen Facebook-Freunden gab es natürlich auch Optiker. Der eine Schrieb noch innerhalb der ersten fünf Minuten nach dem Teilen, öffentlich als Kommentar… „Wer hat Dir denn, dieses Schrottgestell der Marke … angedreht? Ich hoffe, dass du nicht mehr wie 19,90 Euro dafür bezahlt hast.“ Gefühlt, verbogen sich die Bügel augenblicklich nach innen.
Was sich seit damals geändert hat? Die gemeinte Brille ist jetzt meine Hauslesebrille. Unterwegs und zu Terminen gehe ich ohne.