Nach dem Kavala Urteil: Türkei als Unrechtstaat international anerkannt

Acht Jahre für eine Erdogan-Karikatur. – Im Schatten von Putins Krieg gegen Russland hatte die Türkei die große Chance, sich außenpolitisch besser zu positionieren, heißt, näher rücken, zu den demokratischer regierten Nationen, weg vom Unrechtstaat. Doch diese Chance ist, durch die Verurteilung des türkischen Kulturmäzens Osman Kavala zu lebenslanger Haft, vertan worden.

Lebenslänglich bedeutet im Fall von Osman Kavala, so lange gesund zu bleiben und die politische Laufbahn von Erdogan den Ungerechten, zu überleben. Denn kein Politiker, der Erdogan folgen und das Land regieren wird, wird ihn auch nur einen Tag im Gefängnis lassen können, wenn er oder sie, sich politisch gesund aufstellen und vom Ausland anerkannt und respektiert werden möchte.

Der Nachfolger von Erdogan würde sogar mit einem großen Vertrauensbonus der restlichen Welt an den Start gehen, dass er Unrecht bekämpft und unrechtmäßig seit 4,5 Jahren in Haft befindlichen Osman Kavala entlassen hat. Der Name Kavala steht für einige Tausende, die größtenteils ohne Anklage in türkischen Gefängnissen verrotten. Es bleibt zu hoffen, dass die Staatsanwälte und Richter, die so viel Unrecht walten lassen zur Rechenschaft gezogen und verurteilt werden, so wie das auch vor Erdogan der Fall war.

 

Ich kann meine Wut nicht in Worte fassen. Ich leide mit. Vor einer Woche konnte mein Freund Okan, der Flugzeugtechniker ist, aus der Türkei fliehen. Sein Glück, was die möglich gewordene Flucht angeht, waren all seine Ausweise, die ihm den Aufenthalt auf dem Flughafen und in den Flugzeugen ermöglichte. Einmal in der Maschine drin, schaffte er es nach Deutschland. Er flüchtete, als ob er es geahnt hätte, dass es so kommen würde. Sein Vergehen war, dass er eine Erdogan-Karikatur teilte. Halb so schlimm? Er hat gerade in Abwesenheit acht Jahre Haft aufgebrummt bekommen.

Die stellv. Vorsitzende der CHP Frau Karaca hat anhand der juristischen Erfassungen die Zahlen der Beleidigungsklagen türkischer Präsidenten von 1994 bis 2020 veröffentlicht.

Trotz erstaunlich hoher Zahl an  erstatteten Anzeigen wegen Beleidigung kommt Erdogan, der Ungerechte, dabei gut weg. Vor allem, weil die Auflistung seine Zeit als Präsident ab 2014 berücksichtig, obwohl er doch bereits seit 2002 als Ministerpräsident, und dann später Präsident im Amt ist.

Er hat von 2014 bis 2020 sage und schreibe 38.581 Beleidigungsanklagen, die alle vor Gerichten abgehandelt wurden und werden, angestrebt. Die Präsidenten vor Erdogan waren ab 1994 mit den angestrengten Beleidigungsklagen in Klammern: Süleyman Demirel (158), Ahmet Necdet Sezer (163), Turgut Özal (207), Kenan Evren (340) und Abdullah Gül (848). Alle zusammen haben es nur, aus der Sicht von Erdogan, auf 1.716 Beleidigungsanklagen gebracht. Regelrechte Versager also.

Somit ist Erdogan unangefochten die beleidigte Leberwurst des letzten Jahrzehnts. Ungefähr 1/3 der Fälle hatten eine Verurteilung zur Folge, aber eine Brandmarkung war es bei allen. Solch Betroffene, samt aller Familienmitglieder, bekommen anschließend keinen Job mehr, alleine deshalb, weil die Anzeige in der Akte steht.

Die wegen der Beleidigung des Präsidenten durchführten Ermittlungen zwischen 2014 – 2020: 160.000

Die beleidigte Leberwurst im türkischen Sprachgebrauch fängt mit E an.

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