Bei 19.602 TL Armutsgrenze beträgt der Mindeslohn 4.253 TL – Rest kann man sich denken.

Die altmodische Glühbirne ist das Logo der AKP.

Mindestlohnempfänger in der Türkei bekommen seit Jahresanfang 4.253 TL netto im Monat. Dieser Betrag wird dem ausländischen Betrachter kaum etwas aussagen. Sensationeller klingt die Erhöhung von 2021 zu 2022. Während die Kommission, die das zu entscheiden hatte sich um 30 oder 35% sich rumschlug, kam Erdogan um die Ecke und sagte „Macht es 50,5%!“ So auf die Art, guter Polizist, böser Polizist.

Das hörte sich gut an, zu einer Zeit, wo die offizielle Inflation mit 20% angegeben wurde, eigentlich aber schon dicht bei 100% und drüber lag. Damit der für 2022 vereinbarte Mindestlohn in Relation gesetzt werden kann, nenne ich Euch die offiziellen Zahlen der Hungers- und Armutsgrenze. Damit eine vierköpfige Familie, was Nahrung angeht, nur Nahrung wohlgemerkt, mit dem nötigsten versorgt ist, benötigte sie im Mai 6.017 TL (im April waren es 4.750 TL).

Und die Armutsgrenze, wo alle anfallenden Kosten wie Miete, Bildungskosten der Kinder, Nahrung, Energiekosten etc. mit einfließen? Diese war im Mai 19.602 TL (dieser lag im April bei 16.431 TL) bekanntgegeben worden. Bitte, in diesem Betrag sind nur die Mindestbedürfnisse berücksichtig und kein Gramm zu viel. In der Formel taucht die Überschrift „Freizeitgestaltung“ als Kostenfaktor nicht auf. Wahrscheinlich weil man davon ausgeht, wer ums Überleben kämpft, dürfte in der  Freizeit zuhause bleiben und nichts tun.

Dieser Tage möchte man, oder muss man, die Mindestlöhne erhöhen, aber um wie viel Prozent? Die inoffizielle Gruppe der Analysten, die parallel zum Staat, was ja AKP bedeutet, die Inflation errechnen, stehen derzeit bei 160%. Die in AKP Hand befindliche staatliche Statistikbehörde gab die Inflation (beschönigt) mit 73,50% an (Mai).

Was tun, damit die Menschen überleben? In der Türkei bekommen ca. 15 Millionen Menschen den Mindestlohn. Auch wenn das schräg gedacht ist… Wenn jeder dieser 15 Millionen der Alleinverdiener einer vierköpfigen Familie wäre, wären das schon 60 Mio. Menschen von 83 Millionen Bevölkerung insgesamt. Diese aufgemachte Rechnung soll nur vor Augen führen, in welcher Situation sich die türkische Bevölkerung befindet.

Selbst wenn drei Mindestlohnempfänger in einer Familie wären, das Minimum Einkommen zur Armutsgrenze erreichen sie damit nicht. Die Türkei ist ein Niedriglohnland. Wer aus dem Ausland in der Türkei investiert, dann nur aus diesem Grund. Der türkische Mindestlohnempfänger verdient heute weniger als vor 20 Jahren, zumindest was die Kaufkraft angeht. Ein Schlaraffenland für ausländische Investoren, die in der Türkei produzieren.

Selbst, wenn die Mindestlöhne heute um 100% erhöht werden würden, würde das auch die Preise am Markt, für so ziemlich alles, mitbefeuern. Schon hätten wir eine identische Situation, wie vor der Erhöhung.

Könnt Ihr Euch vorstellen, dass die Mindestlöhne um 100% steigen, was rein rechnerisch durchaus möglich wäre, zumal das Geld kaum mehr etwas wert ist. Aber könnt Ihr Euch dann vorstellen, dass die Inflation sinkt, sagen wir auf 10% oder 20%? Geht nicht, dann wären alle Mindestlohnempfänger mit den um 100% gesteigerten Löhnen, gemachte Leute und die Türkei wäre nicht mehr Türkei.

Eine noch größere Pleitewelle würde damit losgetreten werden, als es jetzt bereits der Fall ist. Von jetzt auf sofort würde die Türkei als Produktionsstandort uninteressant werden.

Wenn wir resümieren, stellen wir fest, dass die Türkei durch Erdogan, wahrscheinlich beabsichtigt, zumal er nichts tut, um die Situation zum Besseren zu wenden, in eine ausweglose Lage hineinmanövriert wurde. Es gibt keinen Ausweg, bevor er nicht geht. Die Zeit ist reif für die Türkei, dass wir von der Zeit nach Erdogan reden.

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