Ihr habt schon verstanden. Deshalb muss beim politischen Islam in der Türkei immer der Koran herhalten, den niemand versteht. Die Obrigkeit deutet und biegt zurecht, was was heißen und bedeuten soll. Wir könnten sogar den politischen Islam, der das Ziel hat, die nicht ganz gescheiten und leichtgläubigen Menschen in Reih und Glied zu halten, folgendermaßen definieren: die Menschen in islamischen Ländern – in diesem Fall die Türkei – sich auf den Koran berufend auszunutzen. Wer zuerst sagt: „Steht so im Koran!“, hat gewonnen.

Wie könntest du das Gegenteil behaupten, wenn du die arabische Sprache nicht verstehst … Ein ungutes Gefühl erfasst dich, du denkst, dein Gegenüber kann doch auch kein Arabisch. Aber ihn infrage zu stellen, bedeutet, den Koran infrage zu stellen. Also riskierst du besser nichts und hältst die Füße – oder noch besser – deinen Mund still. Lebt sich einfach gesünder.

89.259 Moscheen soll es aktuell in der Türkei geben. Das hat die oberste Religionsbehörde mitgeteilt. Wenn ihr in der Türkei seid, schaut mal zu einer der fünf Gebetszeiten rein. Ihr werdet euch wundern. Die Moscheen sind leer. Wenn ihr 20 Menschen begegnet, dann ist das viel. Vielerorts werdet ihr nur zwei bis fünf Personen sehen. Ausnahmen bestätigen die Regel. In der Türkei gibt es hauptsächlich „Freitagsmuslime“. Diese tauchen aus dem Nichts auf, gehen freitags zur Mittagszeit in die Moschee und beten das Freitagsgebet. „In die Moschee gehen“ ist eigentlich der falsche Ausdruck. Nur wer zuerst kommt, bekommt noch einen Platz, die Masse hockt draußen und betet. Dann ist aber genug. Den Begriff „Freitagsmuslime“ gibt es nicht, die Menschen sind schwer beleidigt, wenn du feststellst, dass sie als Muslime ihren Pflichten nicht nachkommen. Das kann überall verheerende Folgen haben.

Auch Kopftuchträgerinnen sind nicht alle gläubige Muslima. Es gibt die, die aus Überzeugung das Kopftuch tragen, aber glaubt mal nicht, dass all diese Frauen auch fünfmal am Tag beten. Die Symbolkraft ist stärker als der Glaube dahinter. „Was sollen die Nachbarn denken!“ ist eher die Mutter aller Argumente, die die Frauen zwingt, das Kopftuch zu tragen.