Schlaraffenland ist abgebrannt

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Dank Erdogan wurde den Menschen in der Nahost-Arena bewusst, dass es da ein Schlaraffenland namens Deutschland gab, wo Muslime sich alles erlauben konnten, ja, eigentlich ihre Religion freier ausüben konnten als im eigenen Land. Und dann kam Angela Merkel.

Deutschlands Zuwanderungspolitik ist ein Werk Erdogans und seiner Assistentin Merkel, mittlerweile fortgesetzt von der Ampel-Koalition. Wenn ich schon mit so einer These komme, möchte ich diese auch begründen.

Nun gut, die Türkei war zu keiner Zeit ein Paradebeispiel dafür, wie eine Demokratie funktionieren sollte, aber zumindest war die Gewaltenteilung so weit gegeben, dass man davon sprechen konnte, dass es sie gab. Ein großer Unterschied zu heute: Als die Türkei säkularer war, gab es viel mehr Menschen mit Anstand. Wenn es die heute noch gibt, so sind sie nicht auf der politischen Bühne. Die Würde des Menschen zählte früher mal mehr, mal weniger, und die Gewaltenteilung war in der Verfassung, wie heute auch, festgeschrieben, aber im Gegensatz zu heute, existierte sie auch. Zumindest konnte man teilweise darauf bauen.

Bei der letzten Verfassungsänderung im Jahr 2017 hat sich Erdogan in der neuen Fassung viele Instrumente eingebaut. Er hat das Recht, nach Belieben das Parlament aufzulösen, das Recht, die Wahlen für ungültig zu erklären – und ruft er den Ausnahmezustand aus, so kann er weiterregieren, zwar auf wackligen Beinen, aber dennoch. Ein Kriegszustand wäre ebenfalls ein Grund, die Wahlen zu verschieben. Instrumente zuhauf –, ob er es so weit treibt und die Opposition überhaupt in der Lage ist, den schwächelnden Erdogan zu stürzen, werden wir in sechs Monaten erfahren.

Die Wirtschaft ist Erdogan aus der Hand geglitten. Basierend auf einer Aussage des ehemaligen Präsidenten Abdullah Gül, der eine gewisse Zeit, bis Erdogan an die Macht kam, den Stuhl warmhielt, kann man festhalten, dass in den türkischen Exportprodukten 81 Prozent Importanteil enthalten ist. Der Vorteil, dass die Türkei ein Billiglohnland vor den Toren Europas ist, geht dabei fast gänzlich verloren. Es muss für teure Dollars und Euros importiert werden. Nicht anders sieht es bei den Agrarprodukten aus. Die Türkei, früher ein Agrarland par excellence, ist heute eine Importnation.

Alles, was in der Türkei reichlich erzeugt wird, wird auch reichlich importiert, zumal die Importware, trotz aller Subventionierung der Bauern, immer noch billiger ist. Auch das hat System. Die Subventionen fließen in die Taschen der AKP-Großbauern und versickern dort (die AKP ist die Partei Erdogans, Anm d. Red.). Die Saat, die Pestizide und die Düngemittel müssen alle für teure Devisen importiert werden. Der Wertverlust der Lira betrug allein im Jahr 2021 60 Prozent und verlangsamte sich im Jahr 2022 nicht. Wie soll man da als Produzent kalkulieren?

Will man Umfrageergebnissen Glauben schenken, müsste Erdogan bei den kommenden Wahlen im Juni 2023 den Stuhl räumen. Aber wie vertrauendwürdig werden die Wahlergebnisse sein? Nach allem, was bei früheren Wahlen geschehen ist, zum Beispiel, dass Millionen von ungültigen Wahlzetteln zu seinen Gunsten gezählt wurden, kann man nicht sicher sein, was bei den nächsten Wahlen passiert.

Als politischer Häftling im Gefängnis schmoren

Erinnern wir uns: Am 3. November 2002 bekam die AKP nur 34,4 Prozent der Stimmen, aber dank des türkischen Wahlsystems (viele kleine Parteien, die unter der Zehn-Prozent-Hürde blieben), die absolute Mehrheit. Bis auf die CHP mit 19,4 Prozent, blieben alle sonstigen Parteien, das waren 45,2 Prozent der Stimmen, unter der Zehn-Prozent-Hürde und somit draußen.

„Ich bin demokratischen Wahlen entsprungen!“ Das sagen auch Diktatoren gern, bevor sie die Demokratie untergraben. Auch Erdogan benutzt diesen Satz und auch auf ihn trifft er nicht zu. Selbst für dieses Ergebnis musste er schon tricksen. Die Wahlen in Siirt (Ost-Anatolien) wurden für ungültig erklärt, weil unter anderem eine Wahlurne zu Bruch ging. Die Kandidaten wurden ausgetauscht (Herr Erdogan rutschte dafür als Kandidat der AKP rein). DEHAP, der Sieger der annullierten Wahlen in Siirt, und einige andere Parteien durften bei den Wiederholungswahl nicht mehr teilnehmen. Um die Grundvoraussetzungen für einen Wahlerfolg von Herrn Erdogan zu schaffen, nahm man sich Zeit. Die Wahl in Siirt wurde erst vier Monate später wiederholt. Es musste schließlich demokratisch zugehen (Ironie).

So bekam die AKP in Siirt 74,8 Prozent der Stimmen. Erstaunlich ist die Zahl schon, denn die AKP bekam vorher bei der annullierten Wahl in Siirt nur 17,56 Prozent der Stimmen. Auch hierbei soll alles legal abgelaufen sein.

Die Türkeistämmigen Deutschlands anstacheln

Nun also zur eingangs vorgebrachten These: Die Nahost-Arena produzierte schon immer Flüchtlinge, aber irgendwie verirrten sich diese früher niemals Richtung Europa. Die Türkei war um die Ecke und nahm sie alle auf, gewollt oder ungewollt, aber auf jeden Fall unkontrolliert. So hätte es weitergehen können, wenn es den Erdogan nicht gegeben hätte. Als er es auf krummem Wege (siehe oben) an die Macht geschafft hatte, mimte er zuerst den Europäer und alle fielen darauf rein. 2004 wurde der Muslimbruder, also Erdogan, sogar zum Europäer des Jahres gewählt.

Dann aber hat Erdogan, wie er angekündigt hatte, den Demokratie-Zug verlassen. Europa nahm er nur in den Mund, wenn in der Türkei Wahlen anstanden und er damit punkten konnte. Er wurde laut und bot Europa Contra, wenn auch nur verbal. Sein „One Minute“-Auftritt in Davos aus dem Jahr 2009 brachte ihm in der arabischen Welt volle Punktzahl. Er war der Muslimbruder, der dem Schein nach Europa die Stirn bot. Seine Popularität stieg in der Nahost-Arena immens.

In diese Phase hinein stachelte er vor den Wahlen immer wieder die Türkeistämmigen in Deutschland auf. Diese wurden laut, laut gegen Deutschland. Es gab Krawalle und Unruhen auf deutschen Straßen. Diese Bilder gingen rund um die Welt und kamen auch in Afghanistan und Syrien an. Erdogan-Superstar wirkte unbesiegbar in den Augen der Menschen in der gemeinten Region. Die Bilder zeigten auch, was die Muslime, die Türkischstämmigen auf deutschen Straßen sich erlauben konnten, ohne dafür belangt zu werden. Die Polizei war lediglich Beobachter aus sicherer Entfernung.

Den Menschen in der Nahost-Arena wurde bewusst, dass es da ein Schlaraffenland namens Deutschland gab, wo Muslime sich alles erlauben konnten, ja, eigentlich ihre Religion freier ausüben konnten als im eigenen Land. Auf einmal hatte Erdogan eine nächste Waffe zur Hand, nämlich die Flüchtlinge. Diese sollten die Türkei als Transitland benutzen und sich nach Deutschland und Europa aufmachen.

Die Frau namens Angela

Die Sterne standen für Erdogan günstig. Eine Frau namens Angela sagte in Deutschland „Wir schaffen das!“ und zeigte, dass sie mit Erdogan kompatibel war. Und schon ging es los. Was Deutschland nicht gut bekommen sollte, bekam den geflüchteten Menschen gut. Und nun ist plötzlich die Ampelregierung dran. Lässt man das Gelbe in der Ampel weg, so können wir demnächst – dank Rot und Grün – immer mehr neue Gesichter in Deutschland begrüßen. Die Katastrophe dabei ist, dass diese Menschen nicht mit Deutschland kompatibel sind, bis auf die allerwenigsten Ausnahmen.

Wie sagte Ahmad Mansour nach den Silvester-Vorfällen in Berlin: „Es gibt Menschen, die aufgrund ihrer Sozialisation, patriarchaler Strukturen, ihrer Wahrnehmung des Rechtsstaates […] dieses Land verachten und nicht akzeptieren. Sie haben das Gefühl, sie haben keine Konsequenzen zu spüren, wenn sie solche Straftaten begehen.

Solange man dem Feuerwerk die Schuld für die Geschehnisse gibt und nicht den Tätern, wird die Gewaltspirale vielerorts weitergehen. Und was macht die deutsche Regierung? Sie will die Einbürgerung erleichtern. Nach wenigen Jahren gibt es mit immer geringeren Anforderungen einen deutschen Pass – Wahlrecht inklusive. Ein Signal, das Erdogans Interessen entgegen kommt.

Original veröffentlicht unter achgut.com, 09.01.2023

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