Türkei: Wer vor jeder Wahl widerrechtlich gebaute Bauten legalisiert, ist schuldig

Nach der Erdbebenkatastrophe in der Türkei werden jetzt Bauunternehmer, von denen es ca. 350.000 in der Türkei gibt, wegen Pfusch am Bau, verhaftet.
Warum eigentlich?
Hat der große Meister Erdogan nicht vor jeder Wahl, die Bauten, die gegen die Bauvorschriften und manchmal illegal gebaut wurden, legalisiert?
Nach meinem Verständnis kann etwas, was amtlich für legal erklärt wurde, nicht zurückabgewickelt werden. Wird aber doch getan, im Staate Erdogan.
Wer türkisch angehaucht ist und kein Fan-Boy oder Fan-Girl von Erdogan ist, ist dieser Tage, im Anbetracht der grausamen Bilder des Erdbebens bzw. der Rettungsaktionen danach, bedient. Ich für meinen Teil bin nicht mehr der, der ich mal war. Was ich an Leid und Tragödien in den letzten Tagen im türkischen Fernsehen, das ich normalerweise nie verfolge, gesehen habe, hat mir gereicht.
Natürlich bin ich froh, dass ich kein Familienmitglied, Freund oder Bekannten verloren habe, aber wenn ich mir meine türkischen Freunde und Bekannte in Deutschland anschaue, die richtig viele Tote zu beklagen haben, reicht mir das, um tieftraurig zu sein. Naturkatastrophen passieren nun mal, aber diese wurde sogar erwartet. Jeder wusste, dass sich an dieser Stelle, schon einige Jahrhunderte unermesslich viel Energie aufstaut hatte, und es irgendwann zu einer Entladung in Form eines Erdbebens mit der Stärke über 7.0 kommen würde.
So gesehen hätten die meisten Opfer nicht sterben müssen
Was hat man dagegen getan? Nichts! Stattdessen hat man die Häuser der Region, von denen man locker 80-90% nicht erdbebensicher, widerrechtlich, oder unter Missachtung der Bauvorschriften gebaut hat (in der Metropole Istanbul soll die Quote, der nicht erdbebensicheren Bauten bei ca. 70% liegen), legalisiert. Diese sind jetzt zu Gräbern für über 30.000 Tote geworden. Ich halte diese schrecklich hohe Zahl von Opfern für beschönigt. Wenn um 4:17 Uhr in der Nacht, wo alle in Tiefschlaf sind, fast 15.000 Gebäude in sich zusammenfallen, bedeutet die angegebene Zahl, dass in jedem Gebäude nur 2 Personen umkamen. Auch wenn man davon ausgehen kann, dass bei dem ersten der zwei schweren Beben einige wach geworden und sich womöglich Richtung Ausgang bewegt haben, so ist die Zahl alle Male beschönigt, aber auf jedem Fall nicht korrekt. Ich kenne eine Familie, die ihre Toten, vier an der Zahl selbst befreit hat. Da sie nicht aus der Region waren und eigentlich aus Konya stammten, brachten sie ihre Toten dahin und bestatteten sie dort. Folglich wurden diese Opfer, wie viele andere, nicht mitgezählt bei dem Chaos, was dort in der Region heute noch herrscht (ich schreibe am 8. Tag nach dem Erdbeben). Gerade sagt der Reporter im türk. TV, dass auch vor Ort viele Tote, ohne registriert worden zu sein, bestattet worden sind. Es gibt dort außerdem nach Schätzungen ca. 500.000 nicht registrierte syrische Flüchtlinge.
Beweismittelvernichtung mit System
Zu Showzwecken hat man bis zum heutigen Tag insgesamt an die 200 Bauunternehmer verhaftet. Parallel hat man aber schweres Baugerät zum Gebäude der Bauaufsichtsbehörde in Hatay geschickt (ich habe nur Kenntnis davon, vielleicht passierte es auch woanders), wo es die meisten Toten gab, um das einstöckige Gebäude, das als einziges stehengeblieben war, dem Erdboden gleich zu machen, mit samt allen Dokumenten. Beweisvernichtung, von oberster Stelle angeordnet? Einige Rechtsanwälte sind selbst aktiv geworden und haben unter notarieller Aufsicht die Akten sicherstellen lassen.
In den Sozialen Medien sieht man, dass einige Rettungsteams aus dem Ausland fluchtartig das Land verlassen. Auf die Frage „Warum?“ antworten sie, dass man mit schwerem Gerät dazu übergegangen wäre den ganzen Schutt wegzuräumen, wo doch in Hohlräumen immer noch lebende registriert wurden. Den Schutt wegräumen? Eigentlich tun sie nichts anderes als schnell die Beweise zu vernichten, damit keine Proben aus der Bausubstanz entnommen werden können.
Von den Rettungsteams hört man, dass sie erst nach 36 Stunden nach dem Erdbeben, mit der Rettung beginnen konnten. Zu vieles war unklar und Genehmigungen mussten zuerst ausgestellt werden, damit man aktiv werden konnte bzw. durfte.
Nach der Bauamnestie die Bauunternehmer zur Rechenschaft ziehen. Geht das?
In 20 Jahren seiner Regentschaft, 26-mal die Bauvorschriften ändern bzw. anpassen und 9 Bauamnestien ausrufen, um Wählerstimmen zu gewinnen (Die Zahlen habe ich von den TV-Übertragungen aus der Türkei. Diese müssen nicht ganz genau stimmen, aber in etwa schon.), bedeutet… Der Schuldige ist bekannt!
Für mich steht fest.
Wenn dieser Mann nochmals gewählt wird, lohnt es sich nicht mehr um Recht, Ordnung und Gerechtigkeit in der Türkei zu kämpfen. Wer diesen Mann wählt, kann nur ein Türkei-Hasser sein.
Apropos Wählen, jetzt, wo in der Erdbebenregion für drei Monate der Ausnahmezustand erklärt wurde, was auch bedeutet, dass nur er reden darf und keine Propagandaveranstaltungen für die Wahlen stattfinden dürfen, dürften die Wahlen zum 14. Mai ausgerufenen Wahlen, verschoben werden. Der ausgerufene Ausnahmezustand endet zwar einige Tage zuvor, aber sicher könnte im Katastrophengebiet nicht gewählt werden.
Die Bildung wird abgeschafft
Die Universitäten mit bald 7,74 Millionen Studenten, sind bis März geschlossen und bis Ende des Jahres auf Online-Unterricht gestellt worden. Warum? Damit in den Studentenheimen die Erdbebenopfer unterkommen können. Der eigentliche Grund dürfte die Angst vor der Bildung sein, die man in den letzten Jahrzehnten auf kleinste Flamme heruntergestuft hat. Die Lehrpersonen meutern, jetzt, so kurz nach der Pandemie die Unis nochmals auf Online-Unterricht zu stellen, wäre eine genauso größere Katastrophe wie das Erdbeben, sagen sie. Auch müssen die Studenten die Heime leeren und zu ihren Eltern in eine andere Stadt ziehen. Was auch bedeutet, dass sie sich für die Wahl am 14. 05. 23 ummelden müssten. Pech gehabt, wer sich bis zum Valentinstag nicht um- bzw. angemeldet hat, kann bei den Wahlen leider nicht teilnehmen. Vielleich nächstes Mal.
Die Türkei steht vor der nächsten Bewährungsprobe
Wie in Deutschland, so geht der Zuzug von Flüchtlingen aus Syrien und der Region, Richtung Türkei, weiter. Jetzt wird sich das nochmals verstärken, zumal in der Grenzregion zur Türkei in Syrien, viele Gebäude durch das Erdbeben ebenfalls in Schutt und Asche gelegt wurden. Der Unterschied bei den Flüchtlingsströmen zu früher ist, hier wie dort, dass sie nicht mehr die Schlagzeilen der Medien schmücken. Wie bei den sonstigen Erdbeben in der Türkei, wird auch hier, eine Flucht in andere, sichergeglaubte Regionen des Landes, nicht zu verhindern sein. Wie viele der knapp vier Millionen Menschen dann das Katastrophengebiet verlassen werden, wird man sehen.
Die Stadt Hatay gehört erst seit 1939 zur Türkei
In der Stadt Hatay hat das Erdbeben den größten Schaden angerichtet und folglich haben viele angefangen die Stadt zu verlassen. Das Problem ist, dass hier, in der ehemals zu Syrien gehörenden Stadt, seit 1939 zu Republik Türkei zugehörig, die Einwohner befürchteten, dass die Syrer alsbald in der Überzahl sein könnten. Es gibt sogar Türken, die fordern, dass die Militärs aufpassen sollten, dass Hatay nicht zu einer mehrheitlich von den Syrern bevölkerte Stadt wird.