Religionsfreiheit in Deutschland gibt es schon, aber… Als mein Sohn heimlich fastete (fasten musste)

Damals in Alanya

Trotz Religionsfreiheit in Deutschland…

In meiner Familie spielt der Islam praktisch keine Rolle. Doch kaum waren wir nach Deutschland gekommen, begann mein Sohn unter Gruppenzwang heimlich zu fasten. Wenn ich das damals gewusst hätte!

Was so eine Thüringer Bratwurst in einem auslösen kann, konnte ich neulich feststellen. Mein Radar ist ständig scharf, um alles in meiner Umgebung zu registrieren. Für jedes Schlagwort gibt es mindestens eine Anekdote. Letztens hatte die Stadt erstaunlicherweise einen Verkaufswagen erlaubt. Den Duft von Thüringer Bratwürsten nahm ich schon aus 100 Metern Entfernung wahr. Da mein Sohn auch dabei war, fiel mir eine bestimmte Geschichte ein. Ihm ging es genauso, denn am Wurststand angekommen, fragte er mich: „Weißt du noch, damals in der Schule?“ Klar wusste ich noch:

Als wir vor ein paar Jahren aus der Türkei nach Deutschland zogen, war mein Sohn 13 Jahre alt. Da wir in einem schönen unterfränkischen Dorf gelandet waren und alle anderen Schulen, die ihm hätten Deutsch beibringen können, weit weg waren, musste er ohne Deutschkenntnisse eine Regelklasse in einer Schule unserer Nachbarschaft besuchen. An dieser Schule war die Konstellation auf den ersten Blick gar nicht so schlecht. Es waren nur 15 Schüler in der Klasse, das würde für gute Deutschkenntnisse sorgen, dachten wir. Doch es kam anders.

Die meisten waren Türkeistämmige, die untereinander Türkisch sprachen. Da mein Sohn, frisch aus der Türkei gekommen, die besseren Türkischkenntnisse hatte, lernten die anderen besseres Türkisch, anstatt dass mein Sohn Deutsch gelernt hätte. Am Ende kam er dann doch noch zu Deutschkenntnissen, weil er den Radar intus hat, der auch bei mir eingebaut ist. Auf dieser Schule blieb er drei Jahre, und was er uns danach erzählte, versetzte mich ins Staunen. Während der Schulzeit hatte er mir das alles nicht erzählt, weil ich sofort an der Schule vorstellig geworden wäre. Er wollte noch mehr Ärger, als er ohnehin schon hatte, vermeiden.

Berieselung der Kinder von allen Seiten
Eines Tages sah ihn auf dem Weihnachtsmarkt unseres Dorfes ein Klassenkamerad Thüringer Bratwurst essen und fragte ihn, ob er denn Schweinefleisch esse. Mein Sohn erwiderte: „Natürlich nicht!“ Was offensichtlich nicht stimmte. Der Betreffende antwortete darafhin: „Du isst doch gerade Schweinefleisch!“ Mein Sohn tat erstaunt – „Wie, da ist Schweinefleisch drin?“ – und schmiss seine Thüringer Bratwurst nach einem Bissen weg.

Ebenfalls nach seiner Schulzeit erfuhren wir, dass er außerdem heimlich fastete, wenn Ramadan war. Na ja, ein Pseudofasten war das eher. Nach einem starken Frühstück zuhause, wo er Rühreier mit Schinken und etwas Obst aß, konnte das Scheinfasten in der Schule beginnen. Er musste sich schwer darauf konzentrieren, nicht routinemäßig nach der Wasserflasche zu greifen. Sonst wäre seine Art des Fastens rausgekommen. Über die möglichen Folgen kann man nur spekulieren. Aber einige seiner Klassenkameraden hatten verkündet, dass nur die Tiere nicht fasten würden.

Schade, dass ich davon nicht schon während seiner Schulzeit erfahren habe und somit nicht die Chance bekam, dem etwas zu entgegnen. Die Berieselung der Kinder von allen Seiten ist Eltern bekannt. Schon als wir noch in der Türkei lebten, war das ein Problem gewesen.

„Was ich nicht verstehe, muss ich auch nicht auswendig lernen.“
Dort wurde ich eines Tages zur Schule bestellt. Eine Privatschule, wie es sie zu hunderten in der Türkei gibt. Mein Sohn sollte im Religionsunterricht für Muslime ein Gebet auswendig lernen, was er nicht getan hatte. Er war gerade acht Jahre alt. Auf die Frage der Lehrerin, warum er das Gebet nicht auswendig gelernt hätte, sagte er: „Was ich nicht verstehe, muss ich auch nicht auswendig lernen.“ Als die Klassenlehrerin mir das erzählte, sah ich mich mit etwa 15 Jahren. Ich hatte meinem Sohn davon erzählt, dass ich damals einem Lehrer diesen Satz um die Ohren gehauen hatte – und er hat ihn anscheinend ebenfalls zur Anwendung gebracht.

Um seine Lehrerin in Rage zu bringen, sagte ich mit ruhiger Stimme: „Was ist daran falsch?“ „Das hat er doch nicht von sich aus gesagt, oder doch?“, entgegnete sie. „Ich denke schon“, meinte ich, „zumal ich in jungen Jahren genauso reagiert habe“. Eine andere Lehrerin, die zufällig vorbeiging, mischte sich ebenfalls ins Gespräch ein und sagte: „Das geht doch nicht!“

„Finden Sie es nicht bescheuert, dass die Kinder ein arabisches Gedicht auswendig lernen sollen und man ihnen sagt, für welche Situationen dieses Gebet gut sein soll?“ Es war für mich eine Situation zum Genießen. Ich blühte förmlich auf. Meine Mutter hatte sich schon immer gewundert, dass ich mich von klein auf dazu entschieden hatte, nicht dazuzugehören. Damals war nicht zu verhindern, dass in meinem Personalausweis als Religion Islam stand. Aber als ich Deutscher wurde und mich der Beamte beim Ausstellen des Dokuments fragte: „Möchten Sie, dass die Religion hier erwähnt wird?“ hatte er den Satz noch nicht beendet, als ich ihm schon ein „Nein!“ entgegenschleuderte.

Für Atheisten kein Ersatz
Der Islam war und ist nichts für mich. Alles auf Arabisch und alle möglichen Bedeutungen können hineininterpretiert werden. Der politische Islam funktioniert exakt aus diesem Grund so gut. Wenn kein Türke das Arabische versteht, können die Regierenden alles für sich so hinbiegen, dass es ihnen am Ende nutzt. Sie können sich voll auf den Koran verlassen und dankbar dafür sein, dass nur die wenigsten das Buch verstehen, oder zu verstehen glauben.

Nach dem Intermezzo mit der Religionslehrerin meines Sohnes wartete am Ende des Schuljahres die nächste Sternstunde auf mich. Die Note meines Sohnes in Religion war plötzlich „Sehr gut“. Wieder wurde ich in der Schule vorstellig. Dieses Mal ging es um die Frage, wieso man einem Kind die Note „Sehr gut“ gibt, wenn es doch in dem Fach nichts kann. „Finden Sie es richtig, ihn mit dieser Note zu belohnen, wo er nichts getan hat für das Fach?“ „Seien Sie doch froh!“, sagte mir der Direktor. „Was soll der Junge jetzt denken? Er glaubt, auch wenn er nichts tut, bekommt er ein ‚Sehr gut‘, weil die Lehrer den Vater fürchten“, entgegnete ich zwar, hatte aber den Eindruck, dass mich das Lehrpersonal nicht für voll nahm. Sie werden bei sich gedacht haben, dass Jahrhunderte lang Religion so unterrichtet wurde, bis dieser Idiot von Vater auf den Plan trat.

Zum Abschluss vielleicht noch etwas Interessantes im Zusammenhang mit dem Religionsunterricht in der Türkei. Für die atheistischen Türken gibt es keinen Ersatz für den Religionsunterricht, wie zum Beispiel Ethikunterricht in Deutschland. Jeder Türke muss an diesem Unterricht teilnehmen. Zu einer Katastrophe kommt es, wenn zum Beispiel bei ausländischen Schülern im Personalausweis steht, sie seien konfessionslos oder die Spalte leer ist. Auch in diesem Fall müssen sie am muslimischen Religionsunterricht teilnehmen, ein Entkommen ist nicht möglich. Es sei denn, da steht ganz klar Christ, Jude, Armenier und so weiter im Personalausweis vermerkt. Ich kenne einige deutsche Familien, die in der Türkei leben. Die Eltern sind in Deutschland wieder in die Kirche eingetreten, damit ihr Kind in der Türkei jede Woche eine Freistunde in der Schule hat.

Erschienen in achgut.com am 05.05.23

achGUT und ichmeinsGUT sind weder verwandt noch verschwägert, sympathisieren aber stark.

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