Stichwahl: Der richtige Mann, zum richtigen Zeitpunkt

Für das Jahrhundert der Türkei: "Der richtige Mann, zum richtigen Zeitpunkt."

Am 28. Mai gibt es die Stichwahl zwischen dem ewigen Präsidenten Erdogan (21 Jahre schon im Amt) und seinem Herausforderer, dem Sozialdemokraten Kemal Kilicdaroglu. Eigentlich hat man im Ausland nicht viel Wirbel drum gemacht, obwohl ja Wahlbeobachter geschickt wurden, und trotzdem so ziemlich alles falsch lief, was falsch laufen konnte. Natürlich aus der Sicht der Opposition, denn Diktatoren verlieren bekanntlich keine Wahlen und machen, wenn es um Zählen der Stimmen geht, keine Fehler.

Wie soll Josef Stalin mal gesagt haben: „Die Leute, die die Stimmen abgeben, entscheiden nichts. Die Leute, die die Stimmen zählen, entscheiden alles.“ So lief es auch in der Türkei ab.

Interessant ist der Wahlkampfslogan von Erdogan: „Der richtige Mann, zum richtigen Zeitpunkt.“ Das klingt so, als würde da ein Neuer versuchen an die Macht zu kommen und nicht einer, der schon 21 Jahre lang regiert. Im letzten Jahrzehnt war er immer der Falsche, warum sollte er gerade jetzt der Richtige sein?

Ich für mein Empfinden, finde auf einmal, wo seine Partei AKP im Parlament die absolute Mehrheit erlangt hat, dass er weiter an der Macht bleiben und die Türkei, dann aber richtig, an die Wand fahren sollte, denn es ist so weit. Die Wirtschaft geradezurichten, dabei geht es um Beschaffung von knapp 400 Milliarden Euro vom IWF, hatte nur eine Grundbedingung, nämlich dass derjenige, der die Wahlen gewinnt, auch mit seiner Partei bzw. den Koalitionspartnern, im Parlament die absolute Mehrheit bekommt und das Land zur parlamentarischen Demokratie zurückführt. Dieser dürfte aber auf keinem Fall Erdogan heißen, der nämlich nicht die Absicht hat, seine Diktatur aufzugeben, warum auch. Die Macht, die man einmal erlangt hat, gibt man nicht ab.

Die Türkei hat bei dieser Wahl die A-Karte gezogen.

Gewinnt am 28. Mai Erdogan, gibt es kein Geld aus dem Ausland. Gewinnt sein Gegenkandidat, gibt es auch kein Geld aus dem Ausland, zumal er im Parlament nicht die Mehrheit bekommen kann, um die Türkei wieder zur parlamentarischen Demokratie zurückzuführen.

Die Zentralbank der Türkei hatte dieser Tage Devisenreserven von unter 3 Mrd. EUR bekanntgegeben. Die Unternehmen können von ihren Hausbanken keine Devisen mehr bekommen, weil die Zentralbank dieses, solange die Wahlen andauern, unterbunden hat. Der Grund ist simpel, denn wo nichts ist, da kann man auch nichts bekommen.

Die Devisenkurse werden alsbald explodieren und die türkische Lira wird noch weniger wert sein. Die Pleite der Türkei hätte eigentlich viel eher kommen können, wenn denn die Darlehensgeber aus dem Ausland, die Banken aus Spanien und Italien, die jeweils mit über 60 Milliarden EUR die größten Gläubiger sind, ernst machen würden. Könnten, aber können sie nicht, denn würden sie auf die Rückzahlung ihrer Forderungen bestehen, müsste die Türkei Bankrott anmelden, mit der Folge, dass die betroffenen Banken in Italien und Spanien, ebenfalls bankrott wären, aber zumindest in großen Schwierigkeiten geraten würden. So lassen die Gläubiger schon seit Jahren den Ball im Mittelfeld rollen, ohne den Torschuss (die Darlehen zurückzuverlangen) zu wagen.

Die Bevölkerung ist überschuldet

„Wo nicht?“ werden jetzt einige sagen, aber in der Türkei ist die Situation richtig ernst, zumal die Menschen, mit den Kreditkarten, die sie in reichhaltiger Zahl in der Tasche haben, immer hin und her jonglierten und am Ende, bei der Bank ein Umschuldungskredit für die Umschuldung der Umschuldung bekamen. Damit ist dieser Tage Schluss, denn die Bargeldfunktion der Kreditkarten ist eingefroren worden von den Banken und Kredite gibt es auch nicht mehr.

In Istanbul leben offiziell 16 Millionen (inoffiziell über 20 Millionen), Menschen und es existierten zum 23. 05. 2022, also vor einem Jahr, wo es noch nicht so schlimm stand um die Türkei, 8,2 Millionen Pfändungsbeschlüsse. In der gesamten Türkei betrug die Zahl der Pfändungsbeschlüsse (05/2022) 24 Millionen!!! Jeden Tag kommen 18.000 neue Pfändungsbeschlüsse hinzu.

Der richtige Mann, zum richtigen Zeitpunkt!

Wie gesagt, wer die Wirtschaft in so eine ausweglose Situation hineinmanövriert hat, sollte auch die Chance weiterhin beibehalten, sie komplett an die Wand zu fahren. Warum ich doch möchte, dass der Oppositionskandidat Kilicdaroglu gewinnt, hat eigentlich zwei Gründe. Viel kann er ohne die Mehrheit im Parlament nicht bewegen. Aber als Alleinherrscher, der er nicht sein möchte, kann er die zu Unrecht Verhafteten und Einsitzenden per Dekret freilassen und dafür die Richter und Staatsanwälte des Herrn Erdogan belangen.

Dafür allein lohnt es sich, dass er gewählt wird.

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