Der türkische Taxifahrer ist ein sensibler Mensch, der auf das Reizwort “Kurzstrecke”, entsprechend reagiert

Diese Tafel steht in Aschaffenburg. Tatsächlich sind die meisten Fahrer türkischen Ursprungs. Eigentlich gibt es hier kein Airport-Hotel. :)

Taxi Driver ist ein Filmdrama von Martin Scorsese aus dem Jahr 1976. Der nach einem Drehbuch von Paul Schrader entstandene Film schildert das Leben des vereinsamten New Yorker Taxifahrers Travis Bickle, der von dem „Schmutz“ der Stadt angewidert ist und dessen Obsession, eine jugendliche Prostituierte ihrem Milieu zu entreißen, in einem Gewaltakt mündet.

Ich bin ein von den meisten türkischen Taxi-Fahrern angewiderter Kunde gewesen. Als ich, was Geschäftsleben und Reisen anging, voll im Saft stand, eckte ich oftmals bei den Taxifahrern an. Dabei machte es kein Unterschied, ob diese türkischen Taxifahrer in der Türkei oder z.B. in Deutschland arbeiteten. Die Kurzstrecke mögen sie nun mal nicht.

Die Kurzstrecke, ein Horrorszenario für einen türkischen Taxifahrer und der Beweis, dass das Leben, aus der Sicht des Taxifahrers, kein Wunschkonzert ist.,

Aus Köln flog ich damals immer Atatürk-Airport an und fuhr dann anschließend zu einem Hotel im Stadtteil Merter. Das ist der Nachbarstadtteil von Yesilköy, wo der Flughafen ist. Es erforderte früher schon Mut, in ein Taxi zu steigen und das auch noch am frühen Morgen, der dort locker 4-5 Stunden auf einen Fahrgast wartete bzw. bis er an der Reihe war (es sind einige Tausend Taxis am Flughafen registriert) und dann nach Merter zu fahren. Das waren rund 10 Minuten Fahrt. Wenn Sie Türkisch konnten, bekamen Sie die Chance, all die Flüche, die Sie in der türkischen Sprache schon vergessen hatten, aufzufrischen. Still und leise gab der Fahrer diese von sich, eigentlich im Gedanken dachte er sich diese aus, ohne es aussprechen zu wollen, aber wie das halt bei den Bauchrednern ist, es drang nach außen. Würde er im Stillen ein Gebet aufsagen, würde es ähnlich klingen.
Nicht nur der Tag vom Taxifahrer fing somit schlecht an, auch meines. An diesem Beispiel kann man noch einmal meine Feststellung unterstreichen: „Türkei ist nur gut zu Ausländern.“

Der Ausländer würde in das Taxi einsteigen „Merter“ sagen und denken, weil er kein Türkisch kann, dass der Fahrer die ganze Fahrt lang am Beten ist. Auch hätte der Fahrer in diesem Fall keine Bedenken den Touristen zu fahren, zumal er ihm sicher mehr abknüpfen würde, als das was sein Taximeter, wenn er denn diesen angemacht hätte, zeigen würde.

Nicht anders erlebte ich es in Deutschland. Ich kam 2007 drei Uhr in der Nacht in Berlin-Tempelhof an. An der Ankunftszeit kann man erkennen, dass es sich dabei um ein Low-Budget Flug handelte. Wenn schon Low-Budget angefangen, muss es so auch weitergehen. Das Airport-Hotel konnte ich günstig buchen. Ich ging zum Taxistand und stieg in den vordersten Wagen ein. In das zweite oder dritte Fahrzeug einzusteigen, würde mir nicht mal um diese Uhrzeit einfallen.

„Airport-Hotel, bitte!“ Der Taxifahrer, unschwer als Türke zu identifizieren, schaute in den Rück- und Außenspiegel und das mehrmals und zählte dabei. 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7 oder 8, nein sieben. Er sagt zu mir „Sie möchten bitte in das 7. Fahrzeug einsteigen“. Ich war so verdutzt, dass ich ganz brav ausstieg, die Autos zählte und in das 7. Fahrzeug einstieg. Der Fahrer guckte nicht schlecht. „Sie müssen vorne einsteigen, das geht nicht, so mittendrin“ sagte er. Ohne Zweifel konnte ich ihn an seinem Akzent als einen Ur-Berliner identifizieren, von denen es ja nicht mehr viele gab. Die heutigen Ur-Berliner sprechen eher Türkisch.

„Mich hat der Fahrer ganz vorne geschickt“ sagte ich. „Ach, Sie wollen zum Airport-Hotel, dennoch, Sie müssen vorne einsteigen.“. Dann erklärte er mir ganz kurz, dass die türkischen Fahrer es ablehnen würden, die kurzen Strecken zu fahren. Also schon wieder standen Sie vor mir, die türkischen Taxifahrer. Mein Berliner sagte, ich solle in das erste Fahrzeug einsteigen und darauf bestehen, dass er mich fährt. Ich stieg wieder aus. Es war leichter von Istanbul nach Berlin-Tempelhof zu kommen als von dort weg.

Als ich in der Taxi-Schlange wieder vorne war, fragt mich einer der Taxifahrer, der mit einem Kollegen auf der Motorhaube des Fahrzeuges Backgammon spielte, wie er mir helfen könnte. Ich sagte: „Der vorne schickt mich nach hinten und der schickt mich wieder nach vorne“. „Ach, Sie wollen zum Airport-Hotel?“ Irgendwie war der Airport-Hotel für jeden ein Begriff und fast für alle die Rote-Linie, die nun mal ein jeder hat. Ich war hart bestraft mit der Hotelbuchung. Wie konnte ich das auch nur tun, ohne an das Wohl der Taxifahrer zu denken?
Fast hatten wir vier Uhr. Um nach Görlitz zu fahren, musste ich schon um 7 Uhr aufstehen, eigentlich gleich, so wie es ausschaute. Eigentlich musste ich nicht einmal aufstehen, denn ich würde die ganze Zeit sowieso nur stehen. Der Backgammonspieler, der kurz vor dem Punktsieg stand, der andere hatte 3 geschlagene Steine in der Hand, winkte einem vorbeifahrenden Taxi, der gerade einen Fluggast gebracht hatte, „Mehmet abi bekle“ („Bruda Mehmet, warte!“). Weiter sagte er nichts. Wie ich feststellen konnte, brauchte er auch nichts sagen. Als ich einstieg, sagte der Taxifahrer: „Airport-Hotel?“ Verdammt, wie konnte ich nur so einen Fehler machen und praktisch handeln wollen, mit der Hotelbuchung.
Ich sprach mit dem Fahrer Türkisch. Er war hocherfreut. Wie er sagte, ordentliches Türkisch zu hören, dass wäre ganz selten der Fall unter den Landsleuten. Wenigsten konnte ich einen glücklich machen an diesem Morgen, dachte ich. Er stellte die Frage, wo ich anschließend vom Hotel aus weiterfahren würde. „In 3 Stunden meinen Sie?“ Als ich ‚Hauptbahnhof‘ sagte, schlug er mir vor auf mich zu warten. Er parkte am Hotel und machte ein Nickerchen und ich duschte, frühstückte und zog mich um. Punkt 7 Uhr, pünktlich wie die Maurer (ein deutscher Maurer wohlgemerkt), stand ich vor seinem Wagen. Mein Bett hatte mich nicht gesehen, denn dazu hatte ich keine Zeit mehr. Ich brachte ihm zwei Käsebrötchen und Kaffee mit. Die Brötchen hatte ich Eigenhändig für den ‚Mann des Tages‘ geschmiert, der als einziger mir wohlgesonnen war und mich zum Hotel fuhr. Die Brötchen waren sicherheitshalber mit Käse belegt, denn so konnte man sich die Frage ersparen, ob die Käse Schwein enthielt. Im Hauptbahnhof angekommen, hatte er an mir fast 60 Euro verdient. Die beiden Brötchen und der Kaffee hatten es ihm angetan, zumal ich ein sehr schräges Bild abgab. Einer mit Anzug und Krawatte schmiert dem Taxifahrer Brötchen. „Geben Sie 50, das reicht“, sagte er. Wir waren wieder da angekommen, wo wir von Anfang an hätten, sein sollen und können. Das war er, mein Ur-Türke, voller Wohlwollen und Herzlichkeit. Der Tag war gerettet und konnte beginnen. Görlitz, ich komme!

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