Deutschland hat nun mal eine lange Leitung

Genehmigungen in Deutschland sollen beschleunigt erteilt werden. Allein das Wort „beschleunigt“ klingt aus deutschem Munde wie ein Fremdwort, oder je nach Person, nach Comedy. Solange ich lebe, habe ich eine einzige beschleunigte Entscheidung erlebt und das war vor kurzem, eine Bushaltestelle im Landkreis Aschaffenburg, damit die ukrainischen Flüchtlinge, die in der Nähe der Haltestelle untergebracht sind, wenn sie auf dem Bus warten, bequemer haben, ist ausgebaut worden. Jetzt wurden dort, auf dem Weg zur Haltestelle, sogar Lampen mit Solarzellen angebracht, damit es nicht stockfinster dunkel ist in der Nacht. Mein einziges Beispiel, wenn auch nur im Kleinen, wenn es um beschleunigte Entscheidungen geht.

Deutschland braucht dringend neue Stromleitungen. Von 14.000 Kilometern sollen erst nur 1.900 in Betrieb sein. Die Nord-Südtrasse von Stromleitungen über 700 Kilometern, die dringend benötigt werden, damit Deutschland reibungslos funktioniert, hätten 2022 fertiggestellt werden sollen.

Weißt Du wie viel davon erst genehmigt wurde bis heute? 17,6 Kilometer!!! Obacht! Wir reden über ‚genehmigt‘ und nicht ‚gebaut‘.

Es ist ja nicht nur so, dass man Baugenehmigungen jeglicher Art benötigt, nein, allein die Schwertransporte sollen einige Hundert Formalien erledigen, die dann in knapp drei Monaten entschieden werden.

Egal welches Vorhaben, in Deutschland etwas zu beschleunigen, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Was für den Umweltschutz realisiert werden muss, nämlich Stromleitungen, die Grünen Strom transportieren, muss die Umweltschützer, Bauern, Anwohner und so ziemlich viele Gruppen von der Notwendigkeit erst einmal überzeugen, damit es gebaut werden kann.

Damit wenige Proteste kommen, verlegt man unterirdisch, was um ein Vielfaches teurer ist. Wenn Reparaturen notwendig werden, müssen Straßen aufgerissen werden. Die Kosten explodieren.

Wie wenig Hoffnung besteht, dass es tatsächlich schnell funktioniert, habe ich selbst erlebt. Zuerst wurden von der Bevölkerung in meiner Gegend Unterschriften gesammelt. Wenn 40% Ja! sagen würden, würden wir Glasfaser verlegt bekommen. Tatsächlich wollten über 50%. Juchhei! Was habe ich mich auf schnelles Internet gefreut. Dabei habe ich meine Feststellung vergessen, dass ‚schnell‘ in Deutschland nicht geht.

Das Verlegen der Kabel unterirdisch dauerte 1,5 Jahre. Ein spanischer Subunternehmer verlegte diese. Fast konnten wir alle auf der Straße am Ende Spanisch. Jetzt liegen die Kabel da. Noch letzte Woche, es sind mittlerweile nochmals 2,5 Jahre seit der Verlegung vergangen, ohne die Hausanschlüsse zu realisieren, fragte ich einen Subunternehmer, der für die Hausanschlüsse zuständig ist, warum der Netzbetreiber die Anschlüsse nicht realisierte und zum Geldverdienen überging. Er hat trocken geantwortet: „Die haben schon verdient. Damit sie verlegen, haben sie Geld vom Staat bekommen.“

Schon die letzte Regierung vor der Ampel stellte 15 Milliarden Euro für Glasfaserausbau zur Verfügung. Abgerufen wurden aber nur 1,5 Milliarden Euro. Es ist zum Haare raufen in Deutschland. Nicht einmal mit Geld kannst Du etwas beschleunigen, nur die wenigen Schlauen werden aktiv, die daran partizipieren, aber solange wie nötig. Der Ausbau bleibt halb. Lasst uns weiter über die Digitalisierung reden. 😊

Kaltstart X - Das Buch von Ahmet Refii Dener

Das könnte dich auch interessieren …