Ihr habt schon verstanden. Deshalb muss beim politischen Islam in der Türkei immer der Koran herhalten, den niemand, was die Sprache angeht, versteht. Die Obrigkeit deutet und biegt zurecht, was was heißen und bedeuten soll. Wir könnten sogar den politischen Islam, der das Ziel hat, die nicht ganz gescheiten und leichtgläubigen Menschen in Reih und Glied zu halten, folgendermaßen definieren: die Menschen in islamischen Ländern – in diesem Fall die Türkei – sich auf den Koran berufend auszunutzen. Wer zuerst sagt: „Steht so im Koran!“, hat gewonnen.

Wie könntest du das Gegenteil behaupten, wenn du der arabischen Sprache nicht mächtig bist … Ein ungutes Gefühl erfasst dich, du denkst, dein Gegenüber kann doch auch kein Arabisch. Aber ihn infrage zu stellen, bedeutet, den Koran infrage zu stellen, denn, was ist wenn er doch recht hat. Da braucht nur einer zu behaupten, er hätte recht und schon steht es 2:1 und du hast die A-Karte gezogen. Also riskierst du besser nichts und hältst die Füße – oder noch besser – deinen Mund still. Lebt sich einfach gesünder.

89.817 Moscheen soll es aktuell in der Türkei geben. Das hat die oberste Religionsbehörde kürzlich mitgeteilt. Wenn ihr in der Türkei seid, schaut mal zu einer der fünf Gebetszeiten rein. Ihr werdet euch wundern. Die Moscheen sind leer. Wenn ihr 20 Menschen begegnet, dann ist das viel. Vielerorts werdet ihr nur zwei bis fünf Personen sehen. Ausnahmen bestätigen die Regel und müssen jetzt nicht als Gegenbeispiele herhalten.

In der Türkei gibt es hauptsächlich „Freitagsmuslime“. Diese tauchen aus dem Nichts auf, gehen freitags zur Mittagszeit in die Moschee und beten das Freitagsgebet. „In die Moschee gehen“ ist eigentlich der falsche Ausdruck. Nur wer zuerst kommt, bekommt noch einen Platz, die Masse hockt draußen auf der Straße, breitet die Gebetteppiche aus und betet. Dann ist aber genug mit Islam. Bis kommenden Freitag leben die meisten, wie es ihnen passt. Auch hier bestätigen die Ausnahmen die Regel, aber es sind nur wenige, die alle Bedingungen des Islams tatsächlich erfüllen. Wie denn auch, wenn der oberste Hirte, Erdogan, das Volk und das Land nach Kreuz und Faden außereinander nimmt… Die Jünger folgen halt dem schlechten Beispiel.

Den Begriff „Freitagsmuslime“ gibt es nicht, die Menschen sind schwer beleidigt, wenn du feststellst, dass sie als Muslime ihren Pflichten nicht nachkommen. Das kann überall verheerende Folgen haben. Wie gehabt, mit der Wahrheit kommt man schwerlich klar.

Auch Kopftuchträgerinnen sind nicht alle gläubige Muslima. Es gibt die, die aus Überzeugung das Kopftuch tragen, aber glaubt mal nicht, dass all diese Frauen auch fünfmal am Tag beten, oder sonst wie sich an die Regeln des Islam halten. Die Symbolkraft ist stärker als der Glaube dahinter. „Was sollen die Nachbarn denken!“ ist eher die Mutter aller Argumente, die die Frauen zwingt, das Kopftuch zu tragen. Auch ganz einfach ist es, auf Schweinefleisch und Alkohol zu verzichten.